Das iranische Eherecht spricht bei einer Scheidung das Sorgerecht für die Kinder dem Vater zu. Ausser man einigt sich auf eine Vereinbarung: Das Kind bleibt bei der Mutter, wenn sie sich verpflichtet, nicht mehr zu heiraten. Unter dieser Bedingung lebt der 10-jährige Amir Reza bei seiner Mutter Nahid (Sareh Bayat aus «Separation»).
Die schöne Alleinerziehende kämpft im Alltag mit Widrigkeiten. Dauernd fehlt ihr Geld, sie macht Mietschulden, leiht sich für mehr oder weniger dringende Anschaffungen immer wieder mal was bei ihrer Freundin Leila. Für einen Computer etwa, mit dem sie Heimarbeit verrichten kann.
Der Ex, ein Taugenichts
Regelmässig kommt Amir Rezas Vater Ahmad vorbei, um den Sohn abzuholen. Ahmad hängt viel in der Beiz herum, zusammen mit Amir Reza, der die Schule schwänzt. Er ist ein Taugenichts mit Spiel- und Wettschulden, ein Junkie, der seiner Ex verspricht, einen Entzug zu machen. Er will ein Geschäft eröffnen, das sie gemeinsam betreiben könnten.
Ahmads Beteuerungen, sie nach wie vor zu lieben und sich zu bessern, kommen bei Nahid nicht an. Sie kennt ihren Ex zu gut. Einmal wirft sie ihm die bitteren Worte an den Kopf: «Du hast zehn Jahre meines Lebens ruiniert.» Viel zu früh, mit 20, hatten sie geheiratet.
Ein anderer würde Nahid zur Frau nehmen. Der Hotelbesitzer Masoud, ein Witwer, ebenfalls alleinerziehend, ist ökonomisch gut gestellt und möchte Nahid fest zu sich nach Hause holen, was vor Ahmad und seiner Familie verheimlicht werden muss – bis dieser die Liaison zufällig entdeckt. So könnte sich bewahrheiten, was Nahid gegenüber ihrer neuen Liebe sagte: «Wenn ich mich wieder verheirate, nehmen sie mir Amir Reza weg.»
Nahid kämpft gegen die Umstände und gegen sich im gesellschaftlichen Gewissenskonflikt. Sie will und muss sich entscheiden für Selbstbestimmung und Freiheit. Ihre trübe Lage findet eine visuelle Entsprechung in den Filmbildern: Gräuliche Szenen dominieren, es regnet die meiste Zeit. Gedreht wurde in der Küstenstadt Anzali im Norden des Landes.
Mutige Mütter
Die letzten Bilder des Films, eine Szene am Strand des Kaspischen Meers, stimmen hoffnungsvoll. Es könnte doch noch alles gut kommen.
Die 37-jährige Regisseurin Panahandeh ist ebenso wie ihre Co-Drehbuchautorin Arsalan Amiri Tochter einer alleinerziehenden Mutter. Damit berichten sie in dieser fiktiven Geschichte von Nahid ein Stück weit vom eigenen Erfahrungshintergrund. Sie ehren ihre Mütter als mutige Frauen in einer Gesellschaft, deren traditionelle Gesetze der modernen iranischen Wirklichkeit hinten nachhinken.
In Cannes gab es letztes Jahr für das Spielfilmdebüt von Ida Panahandeh den Spezialpreis in der Sektion «Un certain regard».
Nahid
Regie: Ida Panahandeh
Ab Do, 16.6., im Kino