Der Mörder heisst Saeed Hanaei. Das kann man getrost verraten, denn sein Name ist seit mehr als 20 Jahren bekannt: «Holy Spider » beruht auf wahren Begebenheiten aus den Jahren 2000 und 2001. In der heiligen iranischen Stadt Maschhad haben sich damals insgesamt 16 grausame Morde an Prostituierten auf dem nächtlichen Strassenstrich ereignet.
Der Täter befand sich nach eigener Aussage auf einem «Dschihad gegen die Sittenwidrigkeit » und handelte im Namen Gottes. Wenn er eines seiner Opfer erwürgt hatte, flehte er: «Vergib mir, Allah!» Die Medien nennen ihn den Spinnenmörder. Der Erzählstrang führt von den Taten bis zur späten Überführung, zum Prozess und zur Urteilsvollstreckung. Saeed Hanaei (Mehdi Bajestani) erscheint als liebevoller Familienvater, Bauarbeiter, Kriegsveteran und gottesfürchtiger Mann – auf üblen Abwegen.
Auf lebensgefährlicher Mission als Lockvogel
Für seinen Spielfilm hat Regisseur Ali Abbasi eine Figur erfunden: Er lässt die Journalistin Rahimi (Zar Amir Ebrahimi) aus Teheran nach Maschhad kommen. Sie fragt sich zu Recht, warum der Täter immer noch nicht gefasst ist. Ein ortsansässiger Journalistenkollege rät ihr zwar: «Vergiss diesen Fall. Er ist wie ein bodenloses schwarzes Loch.»
Doch sie gibt nicht auf. Und erweist sich als mutige Frau, die sich nicht einschüchtern lässt, erst recht nicht vom abweisenden Verhalten und von den bedrohlichen Avancen des Polizeichefs. Die Ermittlungsbehörden haben tatsächlich nachlässig gearbeitet. Auf eigene Faust zieht Rahimi los – auf lebensgefährlicher Mission als Lockvogel. Ihr ist es zu verdanken, dass der Täter schliesslich gefasst und verurteilt wird.
Vor Gericht verteidigt sich der Täter unter anderem mit den Worten: «Ich bin verrückt danach, die Welt zu säubern. Wenn Pflichterfüllung verrückt ist, dann bin ich verrückt. Ich bin verrückt nach Gott.» Nicht wenigen gilt der Mörder als Held, der rechtens gehandelt hat.
Drehverbot im Iran
Regisseur Ali Abbasi lebt seit Jahren im dänischen Exil. Zuletzt hat er 2018 mit dem Fantasy-Troll-Film «Gräns» auf sich aufmerksam gemacht. Seinen neuen, dritten Spielfilm konnte er freilich nicht im Iran drehen. Dafür musste er, nachdem die Türkei keine Bewilligung gab, nach Jordanien ausweichen.
Er habe keinen Serienkiller-Film machen wollen, erklärt Regisseur Ali Abbasi. «Ich wollte einen Film über eine Serienkiller- Gesellschaft machen.» Und damit das Klima in einer zutiefst frauenverachtenden Gesellschaft aufzeigen, die solche Taten mitträgt. Über den reinen Thriller hinaus führt der Film eine Haltung vor Augen, die Frauen abwertet. Die Geschichte könnte durchaus auch an anderen Orten der Welt angesiedelt werden. Dänemark hat «Holy Spider» für die Bewerbung um den Oscar ausgewählt.
Holy Spider Regie: Ali Abbasi
DK/D/SWE/F 2022, 117 Minuten
Ab Do, 12.1., im Kino