Mehr als einmal fängt Rahim Soltani (Amir Jadidi) einen Satz an mit «Die Wahrheit ist …». Oder er sagt: «Ich schwöre.» Wer solche Sätze vernimmt, sollte auf der Hut sein. Denn Rahim, der seiner Mitwelt stets mit einnehmendem Lächeln begegnet, hat sich in einem Lügengespinst eingerichtet.
Zwei Tage hat Rahim im Hafturlaub Zeit, um Geld aufzutreiben. Wegen Schulden sitzt er im Gefängnis. Sein Gläubiger weiss: «Der Typ lügt ständig.» Er glaubt Rahims Versprechen, die Summe nun endlich zurückzuzahlen, nicht wirklich.
Der Film taucht ein in die Alltagswelt in der iranischen Stadt Schiras. Rahim gibt an, er habe eine Tasche mit 17 Goldmünzen gefunden. Statt sie für sich zu behalten und damit einen Teil der Schulden zu begleichen, sagt ihm sein Gewissen, er müsse sie zurückgeben.
Die Gefängnisdirektion hört von der Geschichte und informiert die Medien über den vorbildlichen Häftling. Das Fernsehen kommt, auch Zeitungen interviewen den vermeintlich altruistischen und heldenhaften Rahim. Eine Wohltätigkeitsstiftung will ihn unterstützen, verleiht schon mal eine Ehrenurkunde und sucht eine Arbeitsstelle für ihn.
Mit dem Grossen Preis in Cannes ausgezeichnet
Doch ist Rahims Geschichte wirklich wahr? Zweifel sind angebracht. Die Gefängnisdirektion merkt, wie ihre Reputation beschädigt zu werden droht. Ebenso die Stiftung: Wenn es nicht stimmt, was Rahim behauptet hat, gerät auch sie in ein schiefes Licht.
Nüchtern, ohne zu werten, aber bestechend zeigt Asghar Farhadi moralische Doppelbödigkeiten im iranischen Wertesystem auf. Der international renommierte Regisseur hat für «A Hero» in Cannes den Grossen Preis erhalten.
Kleiner Wermutstropfen: Der Stoff zum Film ist ein Plagiat, wie ein Gerichtsurteil offiziell festgehalten hat. Farhadi hat die Geschichte von einer seiner früheren Filmstudentinnen geklaut.
A Hero
Regie: Asghar Farhadi
Iran/F 2021, 127 Minuten
Ab Do, 5.5., im Kino