Film: Menschen und Milieu
Men Lareida zeigt in seinem ersten Spielfilm «Viktoria» eine junge Frau auf der Suche nach Glück in einer authentisch gezeichneten Milieu-Welt.
Inhalt
Kulturtipp 09/2015
Letzte Aktualisierung:
27.04.2015
Urs Hangartner
Die Freundinnen kommen aus der Schweiz zurück ins ärmliche Roma-Viertel von Budapest, aufgebrezelt in High Heels, Minirock, mit Haar-Extensions und künstlichen Fingernägeln. Und sie schwärmen von der Schweiz: «Das Leben dort ist total anders. Dort sind alle reich.» Viktoria (Franciska Farkas) möchte auch dahin. Der Armut entfliehen.
Ohne jegliche Deutschkenntnisse landet sie in Zürich. Die Unterkunft teilt sie mit Blondie (Angé...
Die Freundinnen kommen aus der Schweiz zurück ins ärmliche Roma-Viertel von Budapest, aufgebrezelt in High Heels, Minirock, mit Haar-Extensions und künstlichen Fingernägeln. Und sie schwärmen von der Schweiz: «Das Leben dort ist total anders. Dort sind alle reich.» Viktoria (Franciska Farkas) möchte auch dahin. Der Armut entfliehen.
Ohne jegliche Deutschkenntnisse landet sie in Zürich. Die Unterkunft teilt sie mit Blondie (Angéla Stefanovics). Die will eigentlich nicht mit einer «Zigeunerin» zusammenwohnen. Sie leben in Abhängigkeit der ungarischen Zuhälter. Junior (Zsolt Nagy) «beschützt» sie und nimmt dafür die Hälfte der Einkünfte aus ihrer Arbeit am Sihlquai. Blondies Traum wäre ein eigener Beauty-Salon, Viktoria wünscht sich dereinst ein Haus auf dem Land. Träume, die kaum in Erfüllung gehen. Die Realität hat für die Frauen anderes vorgesehen.
Zürcher Strassenstrich
Nach dem Dokumentarfilm über Jo Siffert hat der aus Graubünden stammende Regisseur Men Lareida mit «Viktoria» einen sehr dokumentarisch anmutenden Spielfilm gedreht. Es ist beeindruckend, wie realitätsnah das Milieu der Zürcher Prostituiertenwelt gezeichnet ist. Es ist das Resultat von aufwendiger und sorgfältiger Recherche. Men Lareida hat mit (in Ungarn bekannten) Profis und mit Laien gearbeitet. Die Szenen am Sihlquai wurden in Budapest gedreht. Das Drehbuch verfasste Lareida zusammen mit seiner ungarischen Ehefrau Anna Maros.
Den Strassenstrich am Zürcher Sihlquai gibt es seit dem Herbst 2013 nicht mehr. «Viktoria» ist aber nicht überholt, denn es war nicht die Absicht von Men Lareida, einen Film über den Sihlquai zu drehen, sondern über eine junge Frau, die sich prostituiert. «Dieser Film könnte überall spielen. Es ist ein Film über eine junge Frau und ihre Sehnsucht nach Glück.» Im Abspann hört man unter anderem die gerappte Zeile: «Alli sueched s’Glück, wenig findets.»