Film: Menschen der Nacht
Ein Haus, das dem Untergang geweiht ist, spielt eine Hauptrolle im Langfilmdebüt der Zürcherin Carmen Stadler. In «Sekuritas» erzählt sie von Menschen und ihren Träumen – poetisch und märchenhaft.
Inhalt
Kulturtipp 16/2020
Urs Hangartner
Im Off wendet sich eine weibliche Stimme auf Mundart an ein Du: «Deine letzten Lampen gehen bald aus.» – «Diese Geschichte ist deine Geschichte.» – «Es ist Zeit für einen letzten Wunsch.» – «Du wünschst dir eine Liebesgeschichte.» Das Du ist ein Haus, ein ganzer Komplex genau genommen. Es sind die Bürogebäude der Firma Studer & Söhne. In der Realität entsprechen die Schauplätze des Films d...
Im Off wendet sich eine weibliche Stimme auf Mundart an ein Du: «Deine letzten Lampen gehen bald aus.» – «Diese Geschichte ist deine Geschichte.» – «Es ist Zeit für einen letzten Wunsch.» – «Du wünschst dir eine Liebesgeschichte.» Das Du ist ein Haus, ein ganzer Komplex genau genommen. Es sind die Bürogebäude der Firma Studer & Söhne. In der Realität entsprechen die Schauplätze des Films dem 1976 erbauten Fabrik- und Verwaltungsgebäude der Firma Revox-Studer im zürcherischen Regensdorf. Hier spielt der erste Langfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin Carmen Stadler (siehe Seite 10). Und hier spielt das Haus gewissermassen eine Hauptrolle.
Das Gebäude ist leer, es steht kurz vor dem Abriss. Und doch ist es belebt. Ein paar Menschen bewegen sich nachts noch in den Räumen. Allen voran die Frau von der Sicherheitsfirma «Sekuritas» (Kathrin Veith), die gewissenhaft kontrolliert. Sie begegnet Menschen wie dem arabischen Putz-mann (Duraid Abbas Ghaieb), der zur Arbeit Radio Baghdad hört. Sie trifft auf eine Sekretärin, auf den Personalchef, den Firmenpatron und einen skurrilen Koch, der sich als dessen Bruder herausstellt.
Wer sich da noch im Haus befindet, ist, so sagt es eine Figur, «unsichtbar, ein Teil des Hauses». Sie sind Gespenstern gleich. Und doch immer auch Menschen, die sich mit Einsamkeit, Sicherheit und der Liebe auseinanderzusetzen haben. So entspinnt der Film eine Reihe von Geschichten innerhalb der grossen Geschichte des Gebäudes. Es entwickelt sich eine märchenhafte Poesie in überlagerten Bildern von Mensch und Haus, es entsteht gespenstische Spannung in dunklen Gängen, in Licht- und Schattenspielen an den Wänden. Bisweilen kommt dezente Komik ins Spiel. Und: Ein Fund im Papierkorb birgt Gedichtzeilen, die nach einem Song von Hildegard Knef von Sehnsucht berichten – «aber ich weiss nicht, wonach».
Sekuritas
Regie: Carmen Stadler
Ab Do, 23.7., im Kino