Die Kamera von Rodrigo Trejo Villanueva taucht ein in eine gespenstisch anmutende Arbeitswelt, in die düsteren Räume einer Textilfabrik im indischen Gujarat. Neonröhren an Wänden und Decke spenden sparsam tristes Licht. Man blickt auf funkenstiebende Öfen, hört rasselnde Maschinen und vibrierende Kessel, immer wieder steigt von irgendwoher Dampf auf. Unendlich lange Stoffbahnen durchziehen die Räume, Textilien sind zu riesigen Beigen aufgetürmt oder laufen über Farbstrassen, ein Mann rollt eine Tonne mit Chemikalien durch die Fabrik.
«Gott hat uns Hände gegeben, also müssen wir arbeiten.» Ein etwas erfahrenerer Arbeiter tut es für umgerechnet gut drei Franken – für eine Schicht von 12 Stunden. Da er essen und die weit entfernte Familie unterstützen muss und selber etwas auf die Seite legen will, schuftet er gleich mehrere Schichten hintereinander. Dazwischen bleibt ihm eine Stunde Ruhepause. Wie andere lässt er sich mittendrin nieder für ein wenig Erholung.
Der Mann vor der Kamera ist einer von rund 45 Millionen Arbeitnehmern in der indischen Textil- und Bekleidungsindustrie. Darunter sind schätzungsweise 12,6 Millionen Kinderarbeiter. Auch im Film sieht man Kinder. Einem Bub fallen an einer Maschine im Stehen immer wieder die Augen zu. Ein Jugendlicher sieht es positiv: «Man lernt am besten, wenn man jung ist.» Allerdings auch dies: «Am Fabriktor würde ich jeweils am liebsten gleich wieder umkehren und abhauen.»
Die Arbeit, die ihr Leben ist
Objektiv betrachtet ist es Ausbeutung. Doch der Fabrikdirektor sieht es anders: Würden die Arbeiter mehr verdienen, so wäre das Geld genauso weg – «Die Hälfte schert sich einen Dreck um die Familie.» Gewerkschaften existieren in der indischen Textilindustrie kaum. Die Repression gegenüber vermeintlichen Anführern ist schlicht zu gross. Einer sagt zwar: «Arbeiter könnten Löwen sein, aber sie sind Schafe.»
So bleibt ihnen allen die Arbeit, die ihr Leben ist, und das Leben, das einfach Arbeiten heisst. Viel Hoffnung auf Besserung ist nicht in Sicht. Ein Alter sagt gegen Schluss: «Mein einziger Trost ist, dass wir alle sterben. Niemand nimmt etwas mit, auch die Reichen nicht.»
Der indischstämmige Regisseur Rahul Jain besuchte als Knirps die damalige Textilfabrik seines Grossvaters. Nach der Ausbildung in Kalifornien legt er nun mit «Machines» sein Erstlingswerk vor. Am letztjährigen Zurich Film Festival erhielt er dafür den Preis für den besten Dokumentarfilm. Im Abspann heisst es: «Dieser Film ist allen Menschen hinter den Stoffen gewidmet.» Ein Effekt, der sich beim Publikum garantiert einstellen dürfte: ein schlechtes Gewissen beim nächsten Billig-Kleider-Kauf.
Machines
Regie: Rahul Jain
Ab Do, 25.1., im Kino