Irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Das wird spätestens dann offenbar, als auf dem Reiterhof das Auto des Obersten explodiert. Später zeigt sich: Juan, den alle den Oberst (Alfredo Castro) nennen, hat eine Anklage wegen Menschenrechtsverletzung am Hals. Er ist der Reitlehrer von Mariana (Antonia Zegers), die zur chilenischen Oberschicht gehört. Mehr als Verträge zu unterzeichnen, die ihr der Industriellen-Vater vorlegt, scheint sie nicht tun zu müssen. Mariana ist mit einem eher gefühlskalten Mann verheiratet, der unbedingt ein Kind von ihr haben möchte. Sie sträubt sich gegen eine Schwangerschaft und will die Fruchtbarkeitsbehandlung sabotieren. Mariana ist 42.
Der Vater und der Oberst kennen sich, wie auf einer Geburtstagsparty herauskommt.Juan hat, wie er erklärt, in der Vergangenheit den Personenschutz bei der Geheimpolizei geleitet. «Ich habe kein Blut an den Händen», gesteht er gegenüber Mariana.
Die Wahrheiten kommen nach und nach ans Licht
Der in der Angelegenheit des Obersten ermittelnde Polizist Rojas sieht es anders: «Leute wie dein Vater haben ihn bezahlt, damit er für sie die Drecksarbeit macht.» Damals, von 1973 bis 1975, unter der Diktatur von Pinochet, seien Tausende von Linken verschwunden. Rojas’ Befund: «Das Problem ist, dass es zu viele passive Mittäter gab in diesem Land.» Angst müsse man nach wie vor haben, «weil Chile voller Monster ist».
Einiges bleibt lange unausgesprochen, schleichend kommen die Wahrheiten ans Licht, die Verstrickungen, die Schuld aus einer blutigen Vergangenheit, die ins Heute nachwirkt. War der Oberst nun ein Täter? Einer, der sagt: «Ich bereue nichts.» Doch auch die Volksseele regt sich. Vor Juans Haus wird demonstriert («Mörder!»). Mariana bleibt in der ganzen Konstellation dazwischen, zwischen den Männern: Zum Oberst wie zum Polizisten entwickeln sich mehr als nur emotionale Beziehungen.
«Ich wäre gern jemand anderes. Ich bin kein guter Mensch.» Bei einem Ausritt mit Mariana auf die Hügel über der Stadt offenbart sich Juan. Er zieht für sich die Konsequenzen. Vorher übergibt er Mariana einen Brief mit Namen. Die Liste würde so manchem den Kopf kosten, auch Marianas Vater wäre betroffen. Dessen Bild ist bereits in der Zeitung erschienen, er wurde da als Kollaborateur tituliert. Und konnte es wieder richten. Doch jetzt: Wird sie es wagen, den Brief selbst gegen ihre Nächsten zu verwenden?
Ein starkes Stück Kino
Was hat es mit dem Titel «Los Perros» (Die Hunde) auf sich? Gemeint sind einmal tatsächlich Marianas geliebte tierische Gefährten. Für Regisseurin Marcela Said, Jahrgang 1972, sind es auch die Macho-Männer, die Mariana umgeben.
Über die Aufarbeitung der Vergangenheit hinaus erzählt Said Gegenwärtiges und Allgemeines, von Menschen, die sich Schuld aufladen, die sich arrangieren, über Unrecht hinwegsehen. Ein starkes Stück Kino aus dem heutigen Chile.
Los Perros
Regie: Marcela Said
Ab Do, 12.7., im Kino