Film: Liebe im Verborgenen
«Wet Sand» von Elene Naveriani blickt in eine Dorfgemeinschaft am Schwarzen Meer. Es herrscht ein verstocktes, bleiernes Klima.
Inhalt
Kulturtipp 10/2022
Urs Hangartner
Die Szenerie ist lauschig: Ein Strandcafé mit Terrasse direkt am Schwarzen Meer in Georgien. Kinder spielen im Sand, die Wellen rauschen. Im Café von Amnon (Laiendarsteller Gia Agumava) treffen sich die Stammgäste zum Spielen und Biertrinken. Der Name auf dem Café-Schild bedeutet: nasser Sand («Wet Sand»).
Kinder bringen die Nachricht zum Café: «Eliko ist tot!» Der Aussenseiter hat sich in seinem Haus erhängt. Der un...
Die Szenerie ist lauschig: Ein Strandcafé mit Terrasse direkt am Schwarzen Meer in Georgien. Kinder spielen im Sand, die Wellen rauschen. Im Café von Amnon (Laiendarsteller Gia Agumava) treffen sich die Stammgäste zum Spielen und Biertrinken. Der Name auf dem Café-Schild bedeutet: nasser Sand («Wet Sand»).
Kinder bringen die Nachricht zum Café: «Eliko ist tot!» Der Aussenseiter hat sich in seinem Haus erhängt. Der unheilbare Krebs habe ihn in den Freitod getrieben. Sagt man. Eliko soll in der Hauptstadt Tiflis eine Enkelin haben. Man macht Moe (Bebe Sesitashvili) ausfindig; die Tätowierte mit den blonden Mèches-Haaren will zusammen mit Café-Besitzer Amnon die Beerdigung organisieren. Moe kommt einem Geheimnis auf die Spur. Sie beobachtet, wie Amnon heimlich den aufgebahrten Eliko auf den Mund küsst. Die beiden waren ein Paar, 22 Jahre lang – was in dieser homophoben Gesellschaft nicht sein durfte und nicht sein darf. Das Dorf, charakterisiert durch ein repressives, bleiern-verstocktes Klima, ächtet Eliko über den Tod hinaus: Man beschimpft die Familie als «Pest». Der Leichnam wird ausgegraben und im Sumpf entsorgt.
Wiedersehen im Himmel, in der Hölle oder sonstwo
Moe freundet sich mit Fleshka an, die im «Wet Sand» kellnert und eigentlich fortgehen möchte. «Jede Stadt sollte am Meer liegen. Wenigstens sollte man das Rauschen hören können», findet Moe. Am Schluss trägt ein neues Café den Namen der ehemaligen Strandbeiz, die vom Dorfmob abgefackelt worden ist. Man hört das Rauschen der vorbeifahrenden Autos.
«Wir werden uns wiedersehen, im Himmel, in der Hölle oder irgendwo, wo wir uns nie mehr verstecken müssen», liest Amnon in Elikos bewegendem Abschiedsbrief – ein Liebesbekenntnis über den Tod hinaus.
Die Regisseurin Elene Naveriani (*1985) stammt aus Tiflis. Sie hat in Genf Kunst und Film studiert. Ihr von der Schweiz finanzierter erster Langfilm ist in Solothurn mit dem Prix du Public ausgezeichnet worden.
Wet Sand
Regie: Elene Naveriani
CH/Georgien 2021, 115 Minuten
Ab Do, 5.5., im Kino