Nach vielen Jahren in Afrika kehrt Agnès Le Roux (Adèle Haenel) zurück nach Nizza. Sie will ihren Erbanteil einfordern. Ihre Mutter Renée (Catherine Deneuve) besitzt das Casino «Le Palais de la Méditerranée», das schon bessere Zeiten gesehen hat. Vor allem scheint sich die Mafia dafür zu interessieren – als geeignete Geldwaschanlage an der Côte d’Azur.
Maurice Agnelet (Guillaume Canet) ist Renées juristischer Berater. Er möchte Geschäftsführer im Casino werden, wird von Renée aber übergangen. Ist er ein Verführer mit kaltblütigem Kalkül? Agnès wird nämlich die Geliebte des Anwalts, nicht die einzige übrigens. Sie stimmt in einer entscheidenden Verwaltungsratssitzung gegen ihre Mutter. Diese wird so mit der (gekauften?) Stimme der Tochter ausgebootet. Jedenfalls hat sich Agnès vom vermuteten Mafioso Fratoni eine Millionensumme zahlen lassen. Renée hingegen verliert alles, das Casino, ihr Geld – und ihre Tochter. Diese verschwindet an Allerheiligen 1977 spurlos.
Der Verdacht
Renée hatte ihre Tochter vor Agnelet gewarnt. Er sei nur hinter ihrem Geld her. Und auch: «Es ist meine Aufgabe, dich zu beschützen.» Das ist ihr nicht gelungen. Eines will sie noch: Gerechtigkeit. Sie verdächtigt Agnelet des Mordes an Agnès. Es kommt zu einer Reihe von Prozessen, mit Berufungen und Wiederaufnahmen.
Der faktische Hintergrund für den Film «L’homme qu’on aimait trop» von Regisseur André Techiné ist unter anderem dem Buch von Renée Le Roux entnommen, das diese zusammen mit ihrem Sohn Jean-Charles 1989 herausgegeben hat («Un femme face à la Mafia»). Der Sohn ist auch Mit-Drehbuchautor.
In Frankreich ist «L’affaire Le Roux–Agnelet» ein bekannter Fall, der die Öffentlichkeit und die Gerichte bis heute beschäftigt. Geklärt ist nach wie vor wenig, auch wenn Agnelet bei der letzten Verhandlung im Jahr 2014 (!) für schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
«Es ist ein Kriegsfilm, der auf einer menschlichen Ebene bleibt», sagt André Techiné über seinen neuen Film, der Sitten- und Zeitbild der 1970er-Jahre, Charakterstudie, Krimi mit authentischem Hintergrund in einem ist. Techiné hat den Stoff allerdings tüchtig entschlackt, nur zum Vorteil des Filmes.
Bewusst verzichtete er auf einzelne Ereignisse sowie etliche Personen und brachte so die Geschichte stimmig ins Bild. Wie in einer schönen Szene, in der Renée Le Roux im Duett mit ihrem italienischen Chauffeur Mario lauthals ein Lied im Autoradio mitsingt – «Pregherò», Adriano Celentanos Coverversion von Ben E. Kings «Stand By Me». Kurz darauf gibt sie ihm seine Entlassung bekannt.
L’homme qu’on aimait trop
Regie: André Techiné
Ab Do, 23.7., im Kino