Achtung Kitsch! Aber wunderschöner. Der Historiker Edward und die Geigerin Florence verknallen sich – erste Liebe auf den ersten Blick. Sie heiraten gegen den Widerstand von Florences Familie. Der Verbindung ist kein Glück beschieden.
Der englische Schriftsteller Ian McEwan hat das Liebesdrama «Am Strand» vor der Kulisse der frühen 1960er-Jahre geschrieben. Das Empire zerbröckelt zusehends, die konservative Regierung von Harold McMillan versucht verzweifelt, den Niedergang aufzuhalten. Zudem sind die ersten Zeichen von Rebellion spürbar – Autoritäten sehen sich infrage gestellt. Die Sexualität wird nach und nach etwas freier ausgelebt.
Fatale Hochzeitsnacht am Traumstrand
Doch das gilt für Florence (Saoirse Ronan) und Edward (Billy Howle) nicht. Die beiden lernen sich in der Anti-Atom-Bewegung kennen. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen Milieus: Florence ist in einer wohlbetuchten, erzkonservativen Familie aufgewachsen, Edward ist Sohn einer Kunsthistorikerin, die den Verstand verloren hat, und eines feinfühligen Lehrers. Trotz allen Widerständen kommt es zur Heirat. Der Brautvater schenkt ihnen einen Flitteraufenthalt am wunderschönen Chesil Beach in Dorset. Sie beziehen ein Zimmer in einem Erstklasshotel und freuen sich auf die Hochzeitsnacht – oder auch nicht.
Denn sie können sexuell nicht zueinanderfinden. Florence leidet unter einem Kindheitstrauma, das sich in Rückblenden nur langsam erschliesst, Edward ahnt nichts davon. Er ist seinerseits unbeholfen, was die Sexualität angeht. Es kommt zum offenen Streit, das Paar findet keine Worte der Versöhnung – sie reist ab. Er ist verzweifelt.
Ian McEwan tönt in der Novelle die späteren getrennten Lebenswege nur kurz an. Regisseur Dominic Cooke baut die Nachgeschichte dagegen aus: Wahre Liebe muss nicht in Erfüllung gehen – aber sie stirbt niemals.
Nostalgische Aufnahmen, beeindruckende Darsteller
Die politische Seite der Geschichte geht im Film fast verloren. Für McEwan war der zeitgeschichtliche Umbruch mindestens ebenso wichtig: Das sind die Jahre, die eine neue gesellschaftliche Entwicklung versprechen, der sich die wenigsten zu öffnen wagen, zumindest im Vereinigten Königreich. Die USA und Frankreich waren damals deutlich weiter.
Allerdings fängt auch die Filmproduktion die Atmosphäre jener späten Nachkriegsjahre ein. Ein bisschen romantische Nostalgie, vor allem eine Gesellschaft, die sich unsäglichen Zwängen ausgesetzt sieht, in der einzig die Lüge das Überleben sichert. Dieses Drama kontrastiert mit den wunderschönen Postkartenaufnahmen der englischen Südküste, wo die Welt in Ordnung sein muss.
Meisterhaft auch die beiden Hauptdarsteller Saoirse Ronan und Billy Howle: Besonders in Ronans Gesicht spiegelt sich stets dieser Widerspruch zwischen bedingungsloser Liebe und seelischer Unterdrückung, die jede Beziehung verdirbt.
Am Strand
Regie: Dominic Cooke
Ab Do, 21.6., im Kino