Film: Leben und Glauben
«Wolf And Sheep» ist ein preisgekrönter, beeindruckender Spielfilmerstling aus Afghanistan über den ländlichen Alltag, Legenden und eine Kinderfreundschaft.
Inhalt
Kulturtipp 24/2016
Letzte Aktualisierung:
23.11.2016
Urs Hangartner
Das Dorf in den Bergen von Afghanistan ist abgelegen. Bis zur nächsten Stadt dauert die Reise auf dem Rücken eines Esels 12 Tage. Die Menschen hier, Angehörige der minderheitlichen schiitischen Hazara-Ethnie, haben ihren Glauben an Legenden erhalten. Ein alter Mann berichtet etwa vom «Kaschmir-Wolf. Das Raubtier drang einst durch den Kamin in den Stall ein und tötete 18 Schafe. Zweimal sieht man eine nackte weibliche Gestalt mit knöchellangen Haar...
Das Dorf in den Bergen von Afghanistan ist abgelegen. Bis zur nächsten Stadt dauert die Reise auf dem Rücken eines Esels 12 Tage. Die Menschen hier, Angehörige der minderheitlichen schiitischen Hazara-Ethnie, haben ihren Glauben an Legenden erhalten. Ein alter Mann berichtet etwa vom «Kaschmir-Wolf. Das Raubtier drang einst durch den Kamin in den Stall ein und tötete 18 Schafe. Zweimal sieht man eine nackte weibliche Gestalt mit knöchellangen Haaren, die durchs nächtliche Dorf wandelt – die grüne Fee. Oder die Geschichte von der Schlange, die an Menschen Rache übte.
Der Wolf wird ganz real: Er hat Schafe gerissen. Kinder hüten die gemischten Herden mit Schafen und Ziegen tagsüber. Die Kinder spielen auch mit ihren Steinschleudern, wobei es schon mal zu einem tragischen Unfall kommen kann.
Alltagsszenen mit ethnografischem Blick
Unter den Kindern, von den andern gehänselt, nähern sich die elfjährigen Sediqa und Qodrat einander an. Das Mädchen und der Junge stehlen einmal aus einem Erddepot Kartoffeln. Der Bauer, der sie dabei ertappt, verflucht sie: «Ich hoffe, ihr sterbt jung.»
Regisseurin Shahrbanoo Sadat erzählt eine fiktive Geschichte mit viel Sinn für das Realistische. Mit ethnografischem Blick filmt sie Alltagsszenen. Etwa, wie die Frauen Dung-Fladen zum Trocknen an die Hüttenwand kleben – Brennmaterial für das Feuer des offenen Brot-Ofens.
Am Schluss dringt die Aussenwelt definitiv in diese dörfliche Gemeinschaft ein: Alle fliehen mit Hab und Gut, als sich bewaffnete Männer mit bösen Absichten nähern.
Der Erstling der 26-jährigen afghanischen Regisseurin Shahrbanoo Sadat erhielt dieses Jahr in Cannes den Art Cinema Award als Bester Film in der Reihe Quinzaine des Réalisateurs. Sie schöpfte für ihre realistische Fiktion aus eigener Erfahrung: Sadat hat als Kind selber sieben Jahre in einem Bergdorf von Zentralafghanistan gelebt.
Wolf And Sheep
Regie: Shahrbanoo Sadat Ab Do, 24.11., im Kino