Es wird an diesem Abend eine Mondfinsternis geben – «Es können seltsame Dinge passieren.» Ahnungsvoll fällt der Satz zu Beginn der französischen Komödie «Le Jeu». Ist es überhaupt eine Komödie? Anfangs vielleicht schon. Bis alles vom eher Harmlos-Unbeschwerten ins Todernst-Entlarvende kippt. Als wärs ein Stück von Yasmina Reza («Der Gott des Gemetzels»).
Eine Wohnung, ein Balkon und sieben Personen
Der Film ist ein theatrales Kammerspiel: Eine Wohnung, ein Balkon, sieben Personen. Freunde versammeln sich auf Einladung von Marie und Vincent zum Abendessen. Er hat gekocht, gewöhnungsbedürftig und Anlass für Neckereien. Man kennt sich gut, seit der dritten Schulklasse. Vincent, der Schönheitschirurg, und Marie, die Psychiaterin, haben zwei weitere Paare und einen Single eingeladen: Ben, soeben entlassener Sportlehrer, ist alleine gekommen, ohne seine Begleitung, die von den anderen neugierig erwartet wurde. Sie, die Neue, musste passen («wegen Magen-Darm»). Ist sie überhaupt eine Sie?
Ein gemeinsames «Projekt» der Anwesenden wird immer wieder verhindert, selbst nach mehreren Versuchen: die ganze Gesellschaft per Selfie-Stick draussen vor der einmaligen Mondkulisse auf dem Balkon für ein Erinnerungsfoto abzulichten.
Das titelgebende Spiel («jeu») ist ziemlich kindisch. Alle sollen ihre Handys auf den Tisch legen und «alles, was hereinkommt», wird für jeden und jede offengelegt: Anrufe, SMS, Mails, Facebook. Buchstäblich werden Geheimnisse aufgetischt. In welchem Mass es ausarten kann, merkt die Gesellschaft erst spät. Die Peinlichkeitsspirale dreht sich im Lauf des Abends immer weiter.
Anrufer plaudern Dinge aus, welche die andern lieber nicht mitbekommen sollten; kompromittierende Bilder erscheinen auf dem Display, dubiose Text-Botschaften werden sichtbar. Es kommt unter anderem aus, wer sich die Brüste vergrössern lassen will; wer schon länger und heimlich eine Psychotherapie macht; wer eine Frau, die nicht die Partnerin ist, geschwängert hat; wer angeblich schwul ist.
Ein überaus präsentes Schauspielensemble
«Le Jeu» basiert auf dem erfolgreichen italienischen Film «Perfetti sconosciuti» von Paolo Genovese aus dem Jahr 2016. Er zog nebst der aktuellen französischen Adaption zahlreiche Remakes nach sich. Weltweit bereits realisiert oder geplant sind Neuverfilmungen in Griechenland, Spanien, Indien, der Türkei, Südkorea, Ungarn, Mexiko, China, Russland, Polen, Deutschland, Schweden und Katar.
Es ist ein Stoff, der offensichtlich international funktioniert und auf Interesse stösst. «Le Jeu» unterscheidet sich von der italienischen Vorlage durch das Nichtverwenden eines ziemlich harten Fakts: Mord. Eine gewisse Schärfe ist geblieben, auch wenn eine überraschende dramaturgische Wende am Schluss das Geschehen grundsätzlich infrage stellt. Dem überaus präsenten Schauspielensemble gelingt es, dass man dem peinlichen Treiben gerne zusieht.
Le Jeu
Regie: Fred Cavayé
Ab Do, 13.6., im Kino