In Istanbul gibt es unzählige Strassenköter. Wenn einer überfahren wird, kümmert sich niemand um ihn oder seine Welpen. Ein solcher Welpe spielt die titelgebende Figur im ersten Langspielfilm von Esen Isik. Die Zürcher Filmemacherin kurdischer Herkunft verarbeitet darin Erinnerungen an ihre Kindheit und spätere Besuche in Istanbul.
Der kleine Hund – türkisch: Köpek – gibt dem Leben von Cemo eine schicksalhafte Wendung. Cemo ist zehn, und statt die Schule zu besuchen, verkauft er Taschentücher, um seine Familie zu unterstützen. Mit seinem Freund Mehmet zieht er täglich durch Istanbul, ständig auf der Flucht vor der Polizei oder anderen «Aufpassern».
Einmal werden sie von einer jungen Schönheit um ein Taschentuch gebeten, die sich damit ihre blutende Lippe reinigt. Ebru ist soeben von aufgebrachten Männern verdroschen worden. Auf offener Strasse. Denn Ebru ist transsexuell, für ihre Angreifer also eine «Tunte» und damit vogelfrei.
Ganz in der Nähe dieses Vorfalls sitzt Hayat beim Tee mit Murat, den sie aus ihrem Dorf kennt. Hayats Mann Mustafa beobachtet das «Treiben» seiner Frau und passt ihr zu Hause ab.
Voller Sehnsüchte
Die Geschichten von Cemo, Ebru und Hayat haben kaum Berührungspunkte, und doch montiert sie Esen Isik gekonnt zu einem stimmigen Ganzen. Die drei Schicksale überlagern sich nämlich sehr wohl. Alle drei leben am Rand der Gesellschaft, einsam und voller Sehnsüchte, aber ohne Perspektive. Einzig Cemo hat ein Ziel: Er will Lara kennenlernen, in die er sich verliebt hat. Als er einen Welpen neben dessen toter Mutterhündin findet, den Köpek eben, diesen mitnimmt und Lara schenken will, schlägt das Schicksal erbarmungslos zu.
Esen Isik (46) hat an der Zürcher Hochschule der Künste Film studiert und mit Kurzfilmen zahlreiche Auszeichnungen gewonnen. Sie greift politisch und gesellschaftlich brisante Themen auf. Mit «Köpek» zeichnet sie ein schonungsloses Bild der machoiden türkischen Gesellschaft, in der Frauen und Kinder rechtlos sind. Selbst in einer «offenen» Grossstadt wie Istanbul. Denn auch dort gilt das Recht der Stärkeren.
Köpek
Regie: Esen Isik
Ab Do, 10.12., im Kino