Film: Jäger der verlorenen Schätze
Die italienische Regisseurin Alice Rohrwacher taucht mit «La chimera» ein in den Kosmos von Grabräubern im Umbrien der 1980er-Jahre.
Inhalt
Kulturtipp 21/2023
Letzte Aktualisierung:
10.10.2023
Urs Hangartner
Eine zentrale Szene in diesem italienischen Film spielt auf dem Jugendstilraddampfer «Schiller» auf dem Vierwaldstättersee. Da geht es dramatisch zur Sache. Ansonsten bewegen sich die Figuren aber hauptsächlich in Umbrien. Die «Tombaroli» (Grabräuber) sind eine fellineske Truppe.
Die illustren Persönlichkeiten verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Jäger verlorener Schätze, indem sie Relikte aus der Etrukser-Zeit ans Tages...
Eine zentrale Szene in diesem italienischen Film spielt auf dem Jugendstilraddampfer «Schiller» auf dem Vierwaldstättersee. Da geht es dramatisch zur Sache. Ansonsten bewegen sich die Figuren aber hauptsächlich in Umbrien. Die «Tombaroli» (Grabräuber) sind eine fellineske Truppe.
Die illustren Persönlichkeiten verdienen sich ihren Lebensunterhalt als Jäger verlorener Schätze, indem sie Relikte aus der Etrukser-Zeit ans Tageslicht bringen und verkaufen. Das illegale Treiben findet meist nachts statt. Tagsüber geniessen sie das Leben und machen zum Beispiel fröhlich beim karnevalesken Dreikönigsumzug mit.
Wünschelruten und unerfüllte Träume
Mit ihnen arbeitet «l’inglese», der Engländer. Er kann mit seiner Wünschelrute hohle Stellen unter der Erde ausfindig machen. Josh O’Connor, der in zwei Staffeln der Fernsehserie «The Crown» Prinz Charles spielte, verkörpert den Engländer Arthur, der nicht nur nach Schätzen gräbt. Er sucht auch verzweifelt nach seiner grossen Liebe Beniamina, die längst tot ist. Sie war eine Tochter der exzentrischen ehemaligen Opernsängerin Flora (Isabella Rossellini), die in einem renovationsbedürftigen Palazzo lebt. Die Signora gibt der talentlosen Italia (Carol Duarte) Gesangsunterricht, dafür muss diese als Haushaltshilfe für sie schuften.
«La chimera» ist in den frühen 1980er-Jahren angesiedelt, gefilmt in drei verschiedenen Formaten. Manchmal wendet sich eine Figur direkt an das Publikum. «Cantastorie», Bänkelsänger, berichten wiederholt in Balladen aus dem Tombaroli-Kosmos. Es geht um Vergangenheit und Gegenwart, um Leben und Tod, um Verschüttetes und Sichtbares, um Schmerz und Sehnsucht – Themen, die Regisseurin und Drehbuchautorin Alice Rohrwacher in mehreren Erzählschichten aufgreift. Manches bleibt für die Menschen im Film ein Trugbild («chimera»), ist vergebliches Sehnen. Dennoch versuchen sie, im Leben zu bestehen.
La chimera
Regie: Alice Rohrwacher
I/F/CH 2023, 133 Minuten
Ab Do, 12.10., im Kino