Film Im Kampf für die Sache der Frau
Das Doku-Drama «Verliebte Feinde» porträtiert ein ungleiches Paar, das um private und politische Freiheiten kämpfte – und sich gegen die Anfeindungen des bürgerlichen Establishments wehrte: Peter und Iris von Roten.<br />
Inhalt
Kulturtipp 04/2013
Urs Hangartner
Als Jus-Studenten an der Universität Bern lernen sie sich Ende der 1930er-Jahre kennen: Iris Meyer, liberaler Geist aus besserem protestantischem Zürcher Elternhaus, eine kluge, schöne Frau, die sich gern nach der neusten Pariser Mode kleidet. Peter von Roten, Sprössling einer erzkonservativen katholischen Familie aus dem Walliser Landadel – ein ungleiches Paar.
Verbündete
Zahlreiche Briefe geben von ihrer Beziehung und ihrem ...
Als Jus-Studenten an der Universität Bern lernen sie sich Ende der 1930er-Jahre kennen: Iris Meyer, liberaler Geist aus besserem protestantischem Zürcher Elternhaus, eine kluge, schöne Frau, die sich gern nach der neusten Pariser Mode kleidet. Peter von Roten, Sprössling einer erzkonservativen katholischen Familie aus dem Walliser Landadel – ein ungleiches Paar.
Verbündete
Zahlreiche Briefe geben von ihrer Beziehung und ihrem Den-
ken Zeugnis. Annähernd 1300 Schreiben bilden den ergiebigen Fundus fürs Biografische. Der Walliser Historiker Wilfried Meichtry hat diese brieflichen sowie anderen Quellen für seine 2007 erstmals erschienene Doppelbiografie «Verliebte Feinde» genutzt. Regisseur Werner Swiss Schweizer stützt sich für sein aktuelles gleichnamiges Doku-Drama auf die Quellen des Buches.
Sie werden sich ein Leben lang treu bleiben, trotz offen gelebter Beziehung – «freie Liebe» auf beiden Seiten. 1946 heiraten Peter und Iris gegen den Widerstand seiner Familie. Er wird 1948 jüngster Nationalrat der Schweiz. Als Vertreter der christlich-konservativen Partei (später CVP) sitzt Peter auch im Walliser Grossen Rat.
«Verliebte Feinde» ist die Geschichte vom Aristokraten und von der Feministin, die sich privat verbinden und im Politisch-Gesellschaftlichen verbünden. Vor allem beim loyalen Ehemann Peter stellt sich ein Gesinnungswandel ein. So schreibt er ihr einmal voller Anerkennung: «Du wirst der Galileo und Kopernikus des Feminismus sein.» Denn Iris von Roten verfolgt ein Buchprojekt. Thema: Die radikale Gleichstellung der Frau im Privaten, in Gesellschaft, Politik und Ökonomie. Peter wird, von den eigenen Parteifreunden angefeindet, zum Kämpfer für die Sache der Frau. Er reicht etwa 1951 parlamentarische Vorstösse zur Gleichstellung der Frau ein. Alle werden abgeschmettert.
Im gleichen Jahr wird Peter von Roten als Nationalrat abgewählt. Auch im Wallis verliert er sein Amt als Mitglied des Grossen Rates. Immerhin: Als Lokalpolitiker gelingt ihm 1957 der Coup, dass in der kleinen Gemeinde Unterbäch VS Frauen erstmals an einem Urnengang teilnehmen können.
Das Manifest «Frauen im Laufgitter» erscheint 1958. Und Häme ergiesst sich über die Früh-Feministin Iris von Roten. In einer Szene des Films hört man, wie sich Ruedi Walter und Margrit Rainer in einem satirischen Sketch auf Radio Beromünster über das Buch lustig machen. In Basel, wo das angefeindete Paar seit 1951 lebte, wählt 1959 ein Viertel der Cliquen «Frauen im Laufgitter» und ihre Autorin als fasnächtliches Spott-Sujet.
Iris von Rotens Buch ist nach seinem Erscheinen bald vergessen. Es sollte mehr als drei Jahrzehnte dauern bis zur Wiederentdeckung. Eine Neuauflage von «Frauen im Laufgitter» 1991, ein Jahr nach ihrem Freitod, macht Iris von Roten zur Bestsellerautorin und zur Ikone der Frauenbewegung.
Doppelporträt
Peter von Roten – er stirbt ein Jahr nach seiner Frau – wandelt sich in seinen späten Jahren weiter. Nicht nur äusserlich. Er trägt Bart und die Haare hippiemässig lang. Und er bleibt widersprüchlich: Auf der einen Seite engagiert er sich, der
als Offizier gedient hatte, für
die Armeeabschaffungsinitiative, für die Fristenlösung und für die Legalisierung von Drogen. Auf der anderen Seite wünscht er sich in der katholischen Kirche die lateinische Messe zurück.
Man erfährt aus Werner Schweizers Film vieles aus
dem Leben, Denken und Handeln der beiden, die ihrer Zeit voraus waren. Er verbindet gespielte Szenen mit Archivmaterial zum Doku-Drama. Fabian Krüger («Der Sandmann») verkörpert den Konservativen mit Sinn für Fortschritt. Mona Petri interpretiert den feministischen Freigeist mit mondänem Touch. Dazu kommen Interviews mit Zeitzeugen, Verwandten und Freunden sowie Foto- wie Filmmaterial aus der Vergangenheit. Ein spannendes Doppelporträt, das Erhellendes zur Schweizer Mentalitätsgeschichte auf die Leinwand bringt.
[Buch]
Wilfried Meichtry
«Verliebte Feinde.
Iris und Peter von Roten»
650 Seiten
(Nagel & Kimche 2012).
[/Buch]