Film: «Ich seh, ich seh» von Veronika Franz, Severin Fiala
Im Debüt-Film «Ich seh, ich seh» von Veronika Franz und Severin Fiala schleicht sich der Horror leise heran, vielfach unsichtbar. Blendend gemacht.
Inhalt
Kulturtipp 16/2015
Letzte Aktualisierung:
04.08.2015
Urs Hangartner
«Guten Abend, gut’ Nacht»: Zu Beginn des Filmes sieht man eine kitschige Aufnahme aus einem alten Film, in der Ruth Leuwerik als Maria Trapp mit ihrer Kinderschar das von Johannes Brahms komponierte Lied singt. Beim trauten Familienidyll wie im Heimatfilm von 1956 wird es hier nicht bleiben. Obwohl es anfangs den Anschein macht: Lukas und Elias, 10-jährige eineiige Zwillinge, tollen im Wald herum, spielen auf den Feldern und auf dem See, der unmittelbar vor ihrem Haus l...
«Guten Abend, gut’ Nacht»: Zu Beginn des Filmes sieht man eine kitschige Aufnahme aus einem alten Film, in der Ruth Leuwerik als Maria Trapp mit ihrer Kinderschar das von Johannes Brahms komponierte Lied singt. Beim trauten Familienidyll wie im Heimatfilm von 1956 wird es hier nicht bleiben. Obwohl es anfangs den Anschein macht: Lukas und Elias, 10-jährige eineiige Zwillinge, tollen im Wald herum, spielen auf den Feldern und auf dem See, der unmittelbar vor ihrem Haus liegt. Es ist eine Villa im Grünen, die Architektur kühl-aseptisch.
Hierhin ist die Mutter aus der Klinik zurückgekehrt. Ihr Gesicht ist bandagiert; sie könnte auch eine andere sein. Selbst die Stimme erscheint im Ton herrisch, so, wie sie früher nicht war. Die Mutter verlangt absolute Stille im Haus. Und es muss dunkel sein, wozu sie die Lamellenstoren herunterlässt.
Unheimlicher Verdacht
Die beiden Buben haben einen Verdacht: «Wir wollen unsere Mutter zurück. Du bist nicht unsere Mama.» Es kommt zu buchstäblichen Torturen. Die Mutter wird gefesselt und gefoltert. Der Film findet zunehmend auch zu expliziten Bildern, in perfiden Gewaltakten gegenüber der Mutter. Bis hin zu einer grossen Feuersbrunst.
«Ich seh, ich seh – was du nicht siehst»: Wir sehen vieles nicht in diesem Gruselfilm. Man vermutet oder ahnt vielmehr. Antworten bleiben offen. Was war geschehen? Was ist Wirklichkeit, was Traum oder eingebildet? Damit stellt sich der Film in die Tradition des Horror-Genres, das im besten Fall auf das Ungesagte und Nichtgezeigte vertraut. Am Schluss kommt dieser unheimliche Verdacht auf: Sind die Zwillinge nur (noch) einer?
«Ich seh, ich seh» atmet den Geist des abgründigen Grusels in der österreichischen Spielart. Der Produzent des Films heisst übrigens Ulrich Seidl («Im Keller»): Er ist der Ehemann von Ko-Regisseurin Veronika Franz. Sie führt zusammen mit Severin Fiala hier ein erstes Mal Regie bei einem abendfüllenden Spielfilm.
Ich seh, ich seh
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
Ab Do, 30.7., im Kino