Darf man das? Dies der erste Gedanke angesichts eines Films, der als Komödie von Juden erzählt, die knapp dem Holocaust entkommen sind. Sam Garbarski (69) wagt sich auf ethisches Glatteis mit seinem neuen Spielfilm «Es war einmal in Deutschland …». Doch der deutsch-belgische Regisseur reüssiert, gerade weil er auf Humor setzt.
Als David Bermann, Protagonist in Garbarskis Film, von einer US-Offizierin gefragt wird, wie er denn ins KZ gekommen sei, zündet er sich mit ausladender Geste eine Zigarette an und sagt: «In einer Limousine, mit Chauffeur.» Bermann hat stets einen kecken Spruch auf den Lippen. Und das Witzeerzählen hat ihm das Leben gerettet. Sein KZ-Kommandant nämlich bestimmte Bermann zum Witze-Lehrer für den allzu humorlosen Adolf Hitler. Kurz vor dieser Begegnung gelang Bermann die Flucht.
Geschichten mit realem Hintergrund
Garbarskis Film über Humor als Lebensretter basiert auf dem Roman «Die Teilacher» von Michel Bergmann. Dieser ist 1945 als jüdisches Flüchtlingskind geboren und erzählt Schicksale von Holocaustopfern unmittelbar nach Kriegsende. Vorbild für David Bermann war Bergmanns Onkel, ein Wäschevertreter – und Witzeerzähler.
Der Umstand, dass das Buch auf reale jüdische Biografien zurückgeht, macht die gewagte Verfilmung glaubhaft, obwohl einem zuweilen der Atem stockt ob der Anhäufung vermeintlich jüdischer Klischees. Dass David dank seines jüdischen Humors nicht nur Hitler austrickst, sondern nach dem Krieg als gewiefter Geschäftsmann Erfolg hat, ist aber eine Story, die man sich gerne erzählen lässt. Und Sam Garbarski tut dies mit grandioser Eleganz und jenem Augenzwinkern, das er bereits im märchenhaft anklingenden Filmtitel vorgibt.
Als David Bermann nach dem Krieg mit sechs jüdischen Kumpels einen Wäschegrosshandel aufzieht, treten aber auch tragische Schicksale zutage, die dem Film ernsthafte Seitenstränge bescheren. Ihr Unternehmen dient den Teilachern, den Handelsreisenden also, in erster Linie dem Geldverdienen. Denn alle wollen Deutschland baldmöglichst verlassen. Ihre Arbeit ist aber auch willkommene Trauma-Therapie. Wobei sich auch hier der Humor als hilfreich erweist. Mehr sei nicht verraten.
Mit schlitzohrigem Charme versetzt
Sam Garbarski, der 2007 mit «Irina Palm» seinen bislang grössten Film-Hit landete, ist mit «Es war einmal in Deutschland …» ein spezieller Film gelungen. Wie er ein bislang kaum beleuchtetes Kapitel der Nachkriegsgeschichte als komisches Märchen erzählt und dabei die Balance behält, ist grosses Kino. Überzeugend auch das Darstellerensemble: Moritz Bleibtreu verkörpert den David Bermann mit schlitzohrigem Charme und geheimnisvoller Verschlagenheit. Bermanns Geschäftspartner spielen Charakterköpfe aus Deutschland, Tschechien, Ungarn, der Ukraine und der Türkei. Mit Anatole Taubman und Joel Basman sind auch zwei Schweizer anzutreffen. Eine bunte Vielfalt der Akzente, die Garbarskis gelungene Balance untermauern.
Es war einmal in Deutschland …
Regie: Sam Garbarski
Ab Do, 15.6., im Kino