Das Bolstader-Gehöft ist zweigeteilt. Irgendetwas war da in der Vergangenheit. Ein Zaun trennt das eine Land vom andern, und die beiden Brüder Kiddi und Gummi reden seit vier Jahrzehnten nicht mehr miteinander. Eines Tages entdeckt Gummi auf Kiddis Weide einen toten Schafbock. Ein Zeichen für kommendes Unheil, das sie und die Züchter-Gemeinschaft im abgelegenen weiten Tal bedrohen wird. Das ist die Ausgangslage im Kinofilm «Hrutar» (Schafböcke).
Bei der jährlichen Schaf-Jurierung scheint alles in Ordnung. Die Veterinärin prüft die Tiere und vergibt Punkte. Sieger wird Schafzüchter Kiddi. Auf dem zweiten Platz folgt sein Bruder Gummi.
Das Unheil naht in der Gestalt der sogenannten Traberkrankheit. Das ist eine Seuche, der man nur Herr wird, wenn der gesamte Tierbestand liquidiert wird. Es betrifft alle Schafzüchter im Tal, ihre Existenz ist bedroht. Da nützt es nicht viel, dass die Schäfer für zwei Jahre eine Überbrückungszahlung vom Staat erhalten. Denn wie weiter danach?
Widerstand der Brüder
Zwischen den verfeindeten Brüdern Kiddi und Gummi kommt es zum handfesten Streit, und der endet mit einem Schuss ins Schlafzimmer des andern. Gummi lässt am nächsten Morgen durch Kiddis Hund, das gerollte Papier in der Schnauze, seinem Bruder eine Rechnung («zwei Fenster») überbringen. Kiddi ersäuft sein Elend im Schnaps, buchstäblich bis zum Umfallen.
Das gemeinsame Schicksal bringt die beiden verfeindeten Brüder wieder zusammen. Sie leisten Widerstand, das heisst, sie geben ihre Tiere nicht her. Kiddi und Gummi treiben ihre illegal gerettete Schafherde in der Nacht in die Berge, als ein bedrohlicher Schneesturm aufkommt. Sie können sich in eine selbstgeschaufelte Schneehöhle retten. Gummi geht es gesundheitlich gar nicht gut. Kiddis Worte am Ende des Films: «Alles wird gut, Gummi.» Leider nein.
Regisseur und Drehbuchautor Grimur Hákonarson, geboren 1977, verbrachte als Kind und Jugendlicher den Sommer jeweils auf dem isländischen Land – «Dadurch habe ich ein gewisses Gespür für die Geschichten und Charaktere und die Bildsprache dieser ländlichen Region Islands entwickelt.» Sein Vater arbeitete für das Landwirtschaftsministerium. So bekam Sohn Grimur einiges mit, etwa Tierseuchen.
«Hrutar» zeichnet einen Exotik-Bonus aus mit dem eigensinnigen Menschenschlag von schrägen Vögeln und sturen Böcken. Darüber hinaus aber wird – in einer geglückten Balance zwischen Tragödie und (schwarzer) Komödie – eine universell gültige Geschichte auf die Leinwand gebracht. Sie erzählt vom innerfamiliären Konflikt und vom Kampf der Brüder, die beide mit eigenen Mitteln retten wollen, was ihnen am liebsten ist – gegen jede Vernunft.
«Hrutar» gewann beim diesjährigen Zurich Film Festival den Spielfilmwettbewerb.
Hrutar (Rams)
Regie: Grimur Hákonarson
Ab Do, 26.11., im Kino