Film: Helden der Arbeiterklasse
Im dokumentarisch anmutendenden Film «6 días en Barcelona» gibt Neus Ballús humor-volle Einblicke in den Alltag von Handwerkern.
Inhalt
Kulturtipp 11/2022
Urs Hangartner
Valero und Pep sind Klempner, können aber auch Stromarbeiten erledigen. Da kommt ein Neuer ins eingespielte Team. Der Marokkaner Mohamed, genannt Moha, arbeitet eine Probewoche lang mit den beiden, weil Pep pensioniert wird. Moha soll dessen Nachfolger werden. Valero gefällt das gar nicht. Im Gegensatz zum verständigen und abgeklärten Pep ist er ziemlich grantig. Und er überschreitet mehr als einmal in Äusserungen gegenüber Moha die Grenze zum reinen Ra...
Valero und Pep sind Klempner, können aber auch Stromarbeiten erledigen. Da kommt ein Neuer ins eingespielte Team. Der Marokkaner Mohamed, genannt Moha, arbeitet eine Probewoche lang mit den beiden, weil Pep pensioniert wird. Moha soll dessen Nachfolger werden. Valero gefällt das gar nicht. Im Gegensatz zum verständigen und abgeklärten Pep ist er ziemlich grantig. Und er überschreitet mehr als einmal in Äusserungen gegenüber Moha die Grenze zum reinen Rassismus. Moha gibt sich derweil Mühe. Auch mit der Sprache. Er besucht den Abendkurs für Katalanisch.
Die drei tüchtigen Handwerker kommen viel herum in Barcelona, bei einer herrlich diversen Klientel. Da ist zum Beispiel der schrullige 100-Jährige, der Moha von der Arbeit abhält, weil er unbedingt das Geheimnis seines langen Lebens erklären will (Nahrungsergänzungsmittel, Fitnessübungen). Eine Modefotografin macht gleich Aufnahmen von Moha, der ein perfektes Model abgibt mit nacktem Oberkörper und Bohrer in der Hand. Valeros Anatomie dagegen ist weniger apart. Das weiss er selber. Er versucht es – vergeblich – mit Diät.
Die Figuren spielen als Laien sich selbst
Mit technischem Slapstick verbunden ist der Handwerker-Besuch in der Protzvilla à la Jacques Tati – wenn man die Überwachungskameras falsch anschliesst, startet der Rasensprinkler …
Die 1980 geborene katalanische Regisseurin Neus Ballús taucht mit ihrem dritten Film ein in die Arbeitswelt. Die Handlung ist von Humor durchwirkt, wird aber nie klamaukig. Das Milieu ist detailgenau eingefangen, alles scheint dokumentarisch, auch wenn es sich um einen Spielfilm handelt mit einem Drehbuch, bei dem es Platz für Improvisationen hatte.
Die kleinen Helden der Arbeiterklasse sind echt, sie spielen als Laien sich selbst: Mohamed Mellali, Valero Escolar und Pep Sarrà wissen die Herzen zu berühren. So auch beim letztjährigen Filmfestival von Locarno. Mohamed und Valero erhielten dort von der Jury des Europa Cinemas Label den Preis als beste Schauspieler. Verdientermassen.
6 días en Barcelona
Regie: Neus Ballús
Spanien 2021, 85 Minuten
Ab Do, 19.5., im Kino