Da braut sich etwas zusammen. Hoch am Himmel über der Zentralschweiz hat sich eine gigantische, bedrohliche Wolke gebildet und wird immer grösser. Das Phänomen bleibt unerklärlich.
Krisensitzung eines Versicherungskaders: Analysiert wird ein katastrophaler Verlust angesichts der Schäden, die auf das Land zukommen. Man müsse beim Bundesrat vorstellig werden und ein Rettungspaket verlangen.
Menschen flüchten sich in die Party. Sie tanzen auf dem Vulkan bei Raves inklusive Mummenschanz und Feuerwerk. Sie feiern – ein letztes Mal? – oder machen weiter, mit Musik in der Natur oder im Keller-Lokal.
In der Innerschweiz regen sich rechtsnationale Populisten, die ihre Anhänger in den ländlichen Gebieten zum Widerstand aufrufen. Es bilden sich Bürgerwehren, um gegen das kommende Chaos gewappnet zu sein.
Apokalyptische Szenen
Der Strom fällt aus, bald fehlt fliessendes Wasser. Die Bundesbehörden warnen vor einem orkanartigen Sturm. Die Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg werden als Schutzräume aktiviert. In den Supermärkten prügeln sich Kunden um die Waren. Andere plündern. Panik breitet sich aus.
Apokalyptische Szenen sind zu sehen – Sturm, drohender Untergang der Schweiz und die Angst davor. Die einzelnen Geschichten des Films zeigen die unterschiedlichen Haltungen der Menschen: Feiglinge, Fatalisten, Verzweifelte, Egoisten oder politische Extremisten.
Aus Angst vor dem Untergang hat bereits eine Million Schweizer das Land verlassen. Der Soziologe Jean Ziegler analysiert in einem ausländischen TV-Sender die Schweizer Bedrohungslage. Immer mehr Menschenmassen ziehen Richtung Grenze. Da wird verkündet, dass die EU die Grenzen für Schweizer Bürger geschlossen hat. Eine Ausreise ist für sie nicht mehr möglich. Ein finanzkräftiger Taxikunde meint, er könne mit Geld alles kaufen, aber der Zöllner ist unbestechlich. Doch der Taxifahrer kann sich mit seiner kleinen Familie in die Sicherheit des Auslands flüchten – der Kroate hat keinen Schweizer Pass.
Eine junge Generation von Filmschaffenden hat sich für dieses aussergewöhnliche Kollektivwerk zusammengefunden. Geboren wurden sie zwischen 1976 und 1985. Die beiden Initianten von «Heimatland», Michael Krummenacher und Jan Gassmann, merken zum Film an, dass es ihnen nicht um eine Analyse der aktuellen politischen Lage gehe, sondern um einen persönlichen Blick, der «hinter die sauber geputzte und immer frisch renovierte Fassade von Schweizer ‹Ideologien› schauen will». Denn: «Uns interessieren die Menschen, die diesem Land ein Gesicht geben und es so zu dem machen, was es ist.»
Erstaunlich, wie homogen sich die einzelnen Episoden von zehn unterschiedlichen Regisseuren zu einem guten Film zusammenfügen. Erfreulich, wie aus dem aussergewöhnlichen Experiment spannendes und bedenkenswertes Kino resultiert.
Heimatland
Regie: Jan Gassmann, Michael Krummenacher u.a.
Ab Do, 12.11., im Kino