Die Geschichte aus dem Walliser Dorf Chermignon ist real: Seit Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte hier eine Art Krieg der Kapellen, eine Konkurrenzsituation zwischen zwei rivalisierenden Blasmusiken. Es war nicht einmal politisch begründet, wie es auf dem Lande Tradition ist, mit einer CVP- und einer FDP-nahen Kapelle, sogenannt «Schwarze» und «Rote». In Chermignon waren es einfach die «Gelben» und «Weissen». Die Feindschaft erreichte ihren Höhepunkt in den 1970ern, als die Musikanten strikt je ihre Beiz, ihren Laden und ihre Bank frequentierten.
Dieser wahre Fall inspirierte den in Frankreich geborenen, in Genf wirkenden Regisseur François-Christophe Marzal für seinen Spielfilm. Aus Chermignon wurde das fiktive Unterwalliser Örtchen Monchoux (im wahren Leben: Saillon). Hier ist die Dorfmusik bestrebt, sich für das kommende «Eidgenössische» zu qualifizieren. Könnte schwierig werden, denn sie sind ziemlich schlecht. Vor allem nicht auf der Höhe der Zeit. Winzer und Nebenbei-Dirigent Aloys (Pierre Mifsud) soll ersetzt werden, so die Meinung eines Teils der Kapelle.
Prompt kommt es zum Schisma: Eine Gruppe spaltet sich ab und verbündet sich mit neuen Kräften zur Alternativ-Kapelle. Die Leitung übernimmt der langhaarige Pierre (Pascal Demolon), der verlorene Sohn des erblindeten Dorfarztes (Jean-Luc Bideau). Er kommt aus Paris ins Wallis zurück. In der Fremde hatte er Karriere als Popmusiker gemacht.
Eine beschwingte Komödie
Es geht in «Tambour battant» um den musikalischen Widerstreit von konservativ und fortschrittlich. Und natürlich spiegelt sich hier Gesellschaftliches in der besonderen historischen Situation des Jahres 1970: Im Wallis steht im April die Abstimmung über das kantonale Frauenstimm- und -wahlrecht an. Und im Juni 1970 wird in der Schweiz über die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach entschieden.
Diese Konstellationen geben Stoff für Verwicklungen im Film. Sabine Timoteo als Winzer Aloys’ Gattin Marie-Thérèse spielt die sich emanzipierende Hausfrau, die sich für die Sache der Frau engagiert und auch erotisch offener wird. Die knapp gehaltenen italienischen Gastarbeiter dürfen zwar für Aloys auf dem Weinberg schuften, werden aber immer noch «Maccaroni» genannt. Ihre feurige Volksmusik ist den Alten ein Graus und den Neuen eine Bereicherung.
So kommt Musikalisches mit den Themen Emanzipation und Fremdenfeindlichkeit zusammen im Film «Tambour battant» (im übertragenen Sinn: «mit Sang und Klang», aber auch «guten Mutes» oder «hauruck»). Angerichtet ist es als beschwingte Komödie, die, man weiss es aus der Geschichte, politisch glücklich endet. Ebenso menschlich. Und musikalisch.
Tambour battant
Regie: François-Christophe Marzal
Ab Do, 19.9., im Kino