Das Leben ist hart in der Landwirtschaft des englischen Nordens. Der junge Johnny Saxby (Josh O’Connor) ist bei der Arbeit praktisch auf sich allein gestellt. Er lebt auf dem Hof zusammen mit der griesgrämigen Grossmutter Deirdre (Gemma Jones) und dem Vater Martin (Ian Hart, Professor Quirrell aus «Harry Potter»). Dieser ist gezeichnet von einem Schlaganfall und seinem Sohn keine grosse Hilfe. «Ich arbeite mich zu Tode, weil du verkrüppelt bist.» Die Mutter hat ihre Familie verlassen, weil sie es nicht mehr aushielt in dieser trostlosen Gegend.
Ein Gastarbeiter verändert das Leben
Johnny, Mitte 20, ist einsam. Einzige Zerstreuung, die er am nächsten Tag verkatert bereut, bereitet ihm das exzessive Trinken im Pub. Oder schneller Sex mit einem Unbekannten im Viehtransporter – «Hier ist ja sonst nichts los.»
Eines Tages eröffnet der Vater seinem Sohn, er habe für die Lamm-Saison einen Gastarbeiter angestellt. Johnny holt ihn vom Bahnhof ab und begegnet ihm herablassend, geradezu feindselig, mit rassistischem Unterton. Gheorghe (Alec Secareanu) ist Rumäne. Johnny begrüsst ihn spöttisch mit «Georgie or something?» Und er nennt ihn «Gypsy», Zigeuner, sehr zu Gheorghes Ärger.
Die beiden Männer müssen miteinander auskommen bei der Arbeit. Doch aus anfänglicher Abneigung, aus Abwehr und Aggression wird Anziehung. Zuerst rein körperlich; wild und roh ist der Sex zwischen den beiden draussen bei der Hof-Ruine, wo sie zu den Schafen schauen. Zorn verwandelt sich in Zärtlichkeit. Dann kommt es zum Zerwürfnis und später zur Versöhnung. Gheorghe will und kann nicht mehr zurück. Er hat selber erlebt, wie der elterliche Hof zugrunde ging. «Mein Land ist tot», sagt er einmal. Wenn er bleiben soll, gibt es eine Bedingung: «Auf dem Hof muss sich etwas ändern.»
Der Schauplatz von «God’s Own Country» sind die Pennine Hills, die Hochmoore in der Grafschaft Yorkshire im Norden Englands. Es ist eine regelrechte Seelenlandschaft, eine Gegend von rauer Schönheit. Auch bekannt als «Brontë-County»: Hier lebten und schrieben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert die Brontë-Schwestern.
Parallelen zum Film «Brokeback Mountain»
Regisseur Francis Lee (47) kennt die Gegend bestens: Er ist hier aufgewachsen, bevor er zur Schauspielausbildung nach London zog. Der Hof seines Vaters lag nur zehn Minuten vom Drehort entfernt. Lee legte beim Filmen wert auf das Authentische. Die Schauspieler wurden sorgfältig auf ihre Rolle vorbereitet, besonders, was das Landwirtschaftliche betrifft. Auf Doubles wurde verzichtet.
«God’s Own Country» weist Parallelen auf zu Ang Lees Oscar-gekröntem Cowboy-Melodram «Brokeback Mountain». Allerdings erzählt Regisseur und Drehbuchautor Francis Lee mehr von Lebensbewältigung in einer unwirtlichen Welt als vom Schwulsein. Er inszeniert es rau und sehr körperlich. Mit seinem Langfilmdebüt ist ihm ein wuchtiger Wurf gelungen.
God’s Own Country
Regie: Francis Lee
Ab Do, 16.11., im Kino