Film: Gnadenlose Arbeitswelt
Eine Familie kämpft um ihre Existenz: Das Sozialdrama «Sorry We Missed You» des britischen Altmeisters Ken Loach geht unter die Haut.
Inhalt
Kulturtipp 23/2019
Babina Cathomen
Dieser Film lässt einen so schnell nicht wieder los: Man fiebert mit der Familie Turner in Ken Loachs neuem Arbeiterdrama mit, hofft und bangt, dass sich die ausweglose Situation doch noch zum Guten wendet. Im Mittelpunkt steht der Arbeiter Ricky, der sich im nordenglischen Newcastel als Paketfahrer «selbständig» machen will und einen Franchise-Vertrag unterzeichnet. De facto heisst das: Er arbeitet unter enormem Leistungsdruck sechs Tage die Woche, 14 Stunden t&aum...
Dieser Film lässt einen so schnell nicht wieder los: Man fiebert mit der Familie Turner in Ken Loachs neuem Arbeiterdrama mit, hofft und bangt, dass sich die ausweglose Situation doch noch zum Guten wendet. Im Mittelpunkt steht der Arbeiter Ricky, der sich im nordenglischen Newcastel als Paketfahrer «selbständig» machen will und einen Franchise-Vertrag unterzeichnet. De facto heisst das: Er arbeitet unter enormem Leistungsdruck sechs Tage die Woche, 14 Stunden täglich, für Krankheit oder Unfälle trägt er das Risiko selbst. Seine Frau Abbie steht als Altenpflegerin unter demselben Zeitdruck – und versucht doch immer, ihren Patienten mit Respekt und Empathie zu begegnen. Daneben managt sie das Familienleben mit den beiden Kindern: mit dem rebellischen Teenager Seb, der lieber zum Sprayen als in die Schule geht, und mit seiner jüngeren Schwester Liza Jane, die unter der prekären Situation leidet. Unweigerlich spitzt sich die Lage in der Familie zu, die Schulden häufen sich, Druck und Übermüdung lassen Emotionen hochkochen.
Ohne Pathos oder Rührseligkeit
Der 83-jährige, britische Regisseur Ken Loach und sein langjähriger Drehbuchautor Paul Laverty, die etwa für ihren letzten Film «I, Daniel Blake» vielfach ausgezeichnet wurden, zeigen sich einmal mehr als Meister des Arbeiterdramas: Ohne Pathos oder Rührseligkeit, aber mit viel Menschlichkeit hält der Film fest, wie sich die sogenannt «kleinen Leute» der britischen Working Class abstrampeln. Und wie sie für ihre Träume und ein besseres Leben für ihre Kinder kämpfen – und doch nie auf einen grünen Zweig kommen. Das ausbeuterische Wirtschaftssystem mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen und stets sinkenden Sozialleistungen lässt einen Aufstieg nicht zu. «Ich muss zur Arbeit, ich habe keine Wahl», sagt Ricky auch noch, als er offensichtlich nicht mehr arbeitsfähig ist. «Sorry We Missed You» ist ein herzzerreissendes und packendes Drama mit grandiosen Laiendarstellern, das die Realität für viele abbildet – und ganz nebenbei unser Konsumverhalten bei Amazon & Co. hinterfragt.
Sorry We Missed You
Regie: Ken Loach
Ab Do, 31.10., im Kino