Film - Freiheit und Verantwortung
Von Menschen in der DDR des Jahres 1980 berichtet der ausgezeichnete Film «Barbara» von Christian Petzold. Im Mittelpunkt steht eine Frau, welche die Freiheit sucht und findet.
Inhalt
Kulturtipp 12/2012
Urs Hangartner
Barbara W. (Nina Hoss) wird strafversetzt, denn sie hat einen Ausreiseantrag gestellt. Die Ärztin an der Charité in Berlin findet sich in der Provinz wieder, in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ostsee ist nahe und wird eine Rolle in ihrem Lebensplan spielen. Denn Barbara hat nicht vor, lange zu bleiben. Ihre Flucht steht fest. Heimlich trifft sich Barbara mit ihrem West-Geliebten Jörg im Wald oder im Interhotel. Er lässt ihr das Fluchtgeld zukommen, das sie draussen in der Na...
Barbara W. (Nina Hoss) wird strafversetzt, denn sie hat einen Ausreiseantrag gestellt. Die Ärztin an der Charité in Berlin findet sich in der Provinz wieder, in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ostsee ist nahe und wird eine Rolle in ihrem Lebensplan spielen. Denn Barbara hat nicht vor, lange zu bleiben. Ihre Flucht steht fest. Heimlich trifft sich Barbara mit ihrem West-Geliebten Jörg im Wald oder im Interhotel. Er lässt ihr das Fluchtgeld zukommen, das sie draussen in der Natur versteckt. Sie raucht auch provokativ West-Zigaretten und braucht Schminkzeug von «drüben». Bei einem ihrer Treffen meint der Geliebte, im Westen brauche sie nicht mehr unbedingt zu arbeiten. Oder als Variante: «Ich kann auch hier mit dir leben.» Worauf sie erwidert: «Du spinnst, hier kann man nicht glücklich werden.»
Angst vor Kontrolle
Barbara wirkt auf ihre Umwelt in der DDR geradezu abweisend. Andre (Ronald Zehrfeld), der Chefarzt in der Kinderchirurgie, ermahnt sie einmal, sich nicht zu «separieren». Barbara bleibt skeptisch und hält ihr grundsätzliches Misstrauen aufrecht. Ist es Zuneigung, die von Andre ausgeht, oder gehört er mit zum Kontrollapparat des DDR-Systems?
Es stellt sich heraus, dass Andre auch nicht freiwillig in der Provinz gelandet ist. Aber er scheint hier seine Aufgabe gefunden zu haben. Er hat ein eigenes kleines Labor eingerichtet, in dem er selber Medikamente herstellt, die man ihm nicht liefern kann.
Barbara lebt in einer kleinen Wohnung, die man ihr zugewiesen hat. Hier erhält sie wiederholt Besuch von der Stasi, die nach verdächtigen Waren sucht. Vor demütigenden Leibesvisitationen bleibt sie nicht verschont. Im Beruf trägt Barbara Verantwortung, die sie medizinisch wie menschlich wahrnimmt. Etwa dort, wo sie sich für eine Ausreisserin aus dem Jugendheim einsetzt.
Barbara will die Freiheit. Doch welche? Ist es der eigentlich ersehnte Westen, die definitive Flucht aus der DDR? Oder ist es die Freiheit, sich auch anders entscheiden zu können? Etwa für die Verantwortung den Menschen im Spital gegenüber, die ihre Hilfe brauchen? Ist es gar die Freiheit, eine andere Liebe zu wählen? Barbara entscheidet sich in der Nacht, als die Flucht über die Ostsee schon perfekt scheint. In Barbaras leerer Wohnung trifft Andre den Stasi-Mann, der sagt: «Die kommt nicht mehr wieder.» Womit er sich getäuscht haben könnte.
Ein Unrechtsystem
Der Film handelt davon, wie ein Unrechtsystem einzelnen Leid zufügen kann. Vor allem zeigt der Film aber, wie der Mensch in seiner Sehnsucht nach Freiheit sich entscheiden kann, gegen die eigene Bequemlichkeit etwa und für Verantwortung. So sieht es Regisseur Christian Petzold: «Es ging uns nicht darum, das Porträt eines Unterdrückerstaates zu filmen. Und dagegen die Liebe zu setzen, die unschuldige, reine, befreiende.» Und weiter: «Wir wollten das filmen, was zwischen den Menschen ist, sich aufgetürmt hat, was sie misstrauen lässt oder vertrauen, abwehren und annehmen.»
«Barbara» erhielt an den Filmfestspielen in Berlin einen Silbernen Bären für die beste Regie.