Film «Frantz»: Zwischen den Kriegen
Der französische Regisseur François Ozon stellt in seinem neuen Film gewichtige Fragen nach Schuld, Vergebung und Wahrheit. Trotz Schwächen ist «Frantz» ganz grosses Kino.
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Kulturtipp 21/2016
Letzte Aktualisierung:
07.10.2016
Frank von Niederhäusern
In Quedlinburg putzt man sich für den Frühling 1919 heraus. Im mitteldeutschen Harzstädtchen hat der Krieg kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Kummer schon eher, und der sitzt tief. So weigert sich Dr. Hoffmeister, den jungen Franzosen Adrien zu untersuchen. Der liberale Arzt hat im Krieg seinen einzigen Sohn Frantz verloren. Nun jagt er Adrien aus der Praxis: «Jeder Franzose ist für mich der Mörder meines Sohnes.»
Dass Adrien schon am Abend dara...
In Quedlinburg putzt man sich für den Frühling 1919 heraus. Im mitteldeutschen Harzstädtchen hat der Krieg kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Kummer schon eher, und der sitzt tief. So weigert sich Dr. Hoffmeister, den jungen Franzosen Adrien zu untersuchen. Der liberale Arzt hat im Krieg seinen einzigen Sohn Frantz verloren. Nun jagt er Adrien aus der Praxis: «Jeder Franzose ist für mich der Mörder meines Sohnes.»
Dass Adrien schon am Abend darauf ins Hoffmeister’sche Wohnzimmer geladen wird, hat er Anna zu verdanken. Frantz’ Verlobte lebt beim Ärztepaar, das nie zu ihren Schwiegereltern werden kann, dafür umso inniger Trauer und Erinnerung mit ihr teilt. Als sich Adrien als Frantz’ Studienfreund aus Vorkriegszeiten in Paris zu erkennen gibt, taut sogar der gestrenge Hausherr auf. Es kommt zu herzlichen Szenen, und schliesslich beschützen die Hoffmeisters und Anna Adrien vor dem hasserfüllten Mob, dessen antifranzösische Pöbelei in völkischen Rassismus kippt.
François Ozon (48) ist mit Krimis wie «Swimming Pool» oder Komödien wie «Huit femmes» bekannt geworden. Nun überrascht er mit grossem Kino zu schweren Themen. «Frantz» ist inspiriert von Ernst Lubitschs Antikriegs-Klassiker «Broken Lullabye» von 1931, wechselt aber die Perspektive. Hauptfigur ist Anna, die Adriens Rolle hinterfragt und dessen wahre Geschichte erfährt. Diese ist so absonderlich, dass sich Anna zur Lüge gegenüber den Hoffmeisters gezwungen sieht. Mit dem Segen ihres Beichtvaters, der weiss: «Was würde die Wahrheit bewirken? Noch mehr Tränen.» Die Geschichte von Anna und Adrien beginnt damit erst richtig …
Ozon erzählt diese Zwischenkriegsgeschichte in Schwarzweiss, stellt aber farbige Tableaus dazwischen. Die Hauptrollen besetzt er bravourös mit Marie Gruber und Ernst Stötzner als Eltern Hoffmeister, vor allem aber mit Paula Beer als Anna. Ihr grossartiges Charakterspiel wurde am Festival von Venedig ausgezeichnet.
Der Film hat auch Schwächen. Er findet keinen richtigen Schluss. Und Pierre Niney gibt Adrien eine zuweilen übertriebene Zerbrechlichkeit.
Frantz
Regie: François Ozon
Ab Do, 6.10., im Kino
(in Zürich ab Mo, 3.10.)