Heiter ist anders. Aber verhalten komisch kann es beim finnischen Kultregisseur Aki Kaurismäki immer sein: Der Witz schleicht sich in die Melancholie ein, im Traurigen steckt stets eine Prise Hoffnung. Wie im neuen Film, der ungerechte Arbeitsverhältnisse porträtiert und Menschen, die den Job verlieren – selbstverschuldet oder nicht.
«Ich bin depressiv, weil ich so viel trinke»
Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen) heissen die Hauptfiguren. Es sind zwei einsame, verlorene Seelen, die sich nach einem Gegenüber sehnen. Holappa säuft. Er weiss es selber am besten: «Ich bin depressiv, weil ich so viel trinke.» Sein Arbeitskumpel Hannes fragt nach, wieso er denn trinke. Holappa: «Weil ich depressiv bin.» Das nenne man einen Zirkelschluss, analysiert Hannes. Zum Date mit Ansa kommt es dennoch.
In ihrer Einzimmerwohnung – sie hat eigens einen zweiten Teller und Geschirr eingekauft – schüttet Holappa den Sekt einfach runter und wundert sich, dass das Glas so klein ist. Die Begriffe «Aperitif» und «Digestif» kennt er nicht. Ansa sagt: «Mein Vater hat sich totgesoffen. Mein Bruder auch. Meine Mutter starb vor Kummer. Ich nehme keinen Säufer.» Er: «Und ich keine Befehle entgegen.» Werden sie dennoch zueinander finden? Typisch Kaurismäki. Man mag es Lakonie oder Coolness nennen: Er ist und bleibt ein Meister darin, seine Figuren stoisch sprechen und praktisch ungerührt agieren zu lassen. Und doch geschieht einiges, auch wenn die Kamera selten schwenkt. Die Bewegung ist verinnerlicht und wirkt umso stärker.
Ukraine-Krieg in den Nachrichten
«Fallen Leaves» ist zeitlos, und doch: Wenn eine Figur ihr Transistorradio einschaltet, kommt der Ukraine-Krieg in den Nachrichten. Dazu hat es manche Verweise auf die Filmwelt. Etwa wenn Ansa und Holappa im Arthouse-Kino einen Zombiefilm schauen: «The Dead Don’t Die» von Jim Jarmusch. Zwei diskutierende Filmfreaks erinnert das nach dem Kinobesuch an Werke von Robert Bresson, den für seinen minimalistischen Stil bekannten französischen Regisseur. Ein schöner Witz.
Ansa gesteht gegenüber Holappa: «Ich habe noch nie so viel gelacht.» Den Hund vom Werkgelände, den sie adoptiert, tauft sie auf den Namen Chaplin. Aki Kaurismäki sagt zu seinem neuen Film, er habe eine Geschichte schreiben wollen über Themen, durch die «in der Zukunft eine Chance auf mehr Humanität in unserer Gesellschaft besteht», gerade angesichts der ihn «quälenden Kriege». Es sei «eine Geschichte über die Sehnsucht nach Liebe, nach Solidarität, nach Hoffnung und dem Respekt für andere Menschen, für die Natur und nach allem, was in ihr lebendig oder tot ist». Es hat in der Tat Platz für Momente der Humanität in seinem Film, auch wenn die Welt eine herzlose ist.
Der neue Kaurismäki ist gut angekommen: Am Festival von Cannes wurde «Fallen Leaves» mit dem Jury-Preis ausgezeichnet.
Fallen Leaves
(Kuolleet Lehdet)
Regie: Aki Kaurismäki
FIN/D 2023, 82 Minuten
Ab Do, 14.9., im Kino