Michèle Leblanc (Isabelle Huppert) ist eine gut situierte Pariser Geschäftsfrau, zusammen mit Freundin Anna Inhaberin einer Videogame-Firma. Sie lebt allein in einer stattlichen Villa am Rand von Paris, getrennt von ihrem Mann Richard. Die «Karriere» ihres Sohnes sieht sie mit Missmut, nicht zuletzt wegen dessen etwas spezieller Freundin, die ein Kind erwartet. Und Michèle ist die Geliebte des Mannes ihrer Geschäftspartnerin Anna.
«Vorfall» verändert viel und nichts
Eines Tages dringt ein Vermummter in ihr Haus ein. Er vergewaltigt sie und flieht. Michèle räumt auf, nimmt ein Bad. Ihre Verletzungen, so gibt sie an, stammten von einem Sturz mit dem Fahrrad. Ihren Freunden berichtet sie beim Treffen im noblen Speiselokal nüchtern vom «Vorfall», wie nebenbei, fast so, als wäre nichts Schlimmes geschehen.
Michèle akzeptiert die Tat natürlich nicht. Doch sie verzichtet auf eine Anzeige. Der Grund dafür: ihr besonderes Verhältnis zur Polizei. Hier kommt die Familiengeschichte ins Spiel. Eben ist er wieder im Fernsehen, der Fall ihres Vaters. Schreckliches geschah in der Vergangenheit, als Michèle noch Kind war. Die fürchterliche Geschichte kommt wieder an die Öffentlichkeit wegen eines Gnadengesuchs. Michèles Vater Charles richtete in der Nachbarschaft als serienmordendes Monster ein Blutbad an, und seine 10-jährige Tochter war zur Tatzeit bei ihm. 40 Jahre ist es her. Jetzt geht Michèle ihren verhassten Vater besuchen. Dem Vize-Direktor des Gefängnisses sagt sie offen: «Ich bin gekommen, um ihm ins Gesicht zu spucken.» Doch so weit kommt es nicht mehr …
Michèle sinnt nicht auf Rache, wie man es erwarten könnte. Sie legt sich nach der Schandtat einen Hammer ins Bett. Später kauft sie einen Pfefferspray und eine Axt. In der Opferrolle sieht sie sich nicht unbedingt. Der Täter schleicht sich erneut ins Haus… Es bleibt alles ein seltsames «Spiel» der Ambivalenz, im Wechsel von Anziehung und Abstossung, von Faszination und Abscheu. Der Film verwehrt einem eindeutige Erklärungen.
Golden Globe für Isabelle Huppert
«Elle» beruht auf dem Roman «Oh …» (2012) des französischen Kultautors Philippe Djian. Ursprünglich war die Adaption durch den holländischen Mainstream-Regisseur Paul Verhoeven («Basic Instinct») als US-amerikanische Produktion geplant. Doch es liess sich partout keine Hollywood-Schauspielerin finden, welche sich an die Rolle gewagt hätte. So wurde zum Glück ein französischer Film daraus.
«Elle» ist alles andere als ein billiger, auf Effekt bedachter erotischer Thriller. Es handelt sich vielmehr um einen Film mit gedanklichen Widerhaken, der Spannung mit Tiefgang vermittelt. Und ja: Der auch komisch ist, erstaunlicherweise.
«Elle» ist bereits preisgekrönt. Bei der jüngsten Verleihung der begehrten Golden Globe Awards gab es eine Auszeichnung für Isabelle Huppert als beste Schauspielerin, und «Elle» wurde zum besten nicht-amerikanischen Film erkoren.
Elle
Regie: Paul Verhoeven
Ab Do, 2.2., im Kino