«Eldorado», das vermeintlich gelobte Land, wartet nicht auf die verzweifelten Menschen, welche die italienische Küstenwache im Mittelmeer aus Schlauchbooten rettet. Zehn Tage lang begleitete Regisseur Markus Imhoof mit seinem Filmteam die zweitletzte Fahrt des Flaggschiffs «San Giusto» vor der libyschen Küste. 1800 Menschen konnten gerettet werden. Die «Operation Mare Nostrum» wurde eine Woche nach den Filmaufnahmen eingestellt.
Ein Besatzungsmitglied begrüsst die aus dem Meer geretteten Flüchtlinge mit den Worten: «Wir versprechen euch nicht das Paradies, aber jeder Tag wird besser. Willkommen.» An Land werden die Flüchtlinge registriert und in ein Aufnahmelager gebracht. Wer hier nicht bleiben darf, findet Unterkunft im «Ghetto», draussen auf dem Land in Foggia. Für einen mickrigen Lohn arbeiten Flüchtlinge schwarz bei der Tomatenernte. Ein perverser Kreislauf kommt in Gang: Dank der illegalen Tätigkeit blüht die italienische Landwirtschaft. Die Arbeiter geben die Hälfte ihrer Einkünfte an mafiose «Capos» ab. Die Tomaten werden als Püree in Dosen nach Afrika exportiert, wo die Menschen das Nahrungsmittel mit dem Geld kaufen, das ihnen die Schwarzarbeiter in Italien nach Hause schicken …
Markus Imhoof folgt den Spuren der Migration vom Meer über Italien bis in die Schweiz. In Chiasso kommen Flüchtlinge an. Markus Imhoof: «Nach dem Dublin-Abkommen dürfte in der Schweiz eigentlich gar kein Flüchtling sein – ausser er fällt vom Himmel.» Wer es geschafft hat, kommt etwa in die Kollektivunterkunft Riggisberg BE. Der Film zeigt auch das Beispiel einer Rückkehr in den Senegal, wo ein Geflüchteter dank finanzieller Hilfe der Schweiz zwei Kühe kaufen kann.
Europas Migrationsfrage und Schweizer Geschichte
Ausgangsmotivation für «Eldorado» ist ein persönliches Kindheitserlebnis von Regisseur Markus Imhoof: Er erinnerte sich an das italienische Flüchtlingskind Giovanna, das 1945 im Zuge der Hilfsaktion des Schweizerischen Roten Kreuzes für einen befristeten Aufenthalt in die Schweiz zur Familie Imhoof gekommen war. Giovanna, Jahrgang 1936, Strassenkind aus Mailand, musste 1946 wieder zurück. Privat konnte die Familie Imhoof das Kind 1950 ein weiteres Mal zu sich nehmen. Wieder in Italien, erkrankte Giovanna und starb.
Im Off-Kommentar wendet Markus Imhoof sich an das Mädchen aus Kindheitstagen: «Du, Giovanna, bist der Grund, warum ich mich auf diese Reise mache, um zu sehen, was ich eigentlich nicht sehen will.»
Die Reise ist dieser Film, der die aktuelle europäische Migrationsfrage mit Schweizer Geschichte und Gegenwart verschränkt. Nicht zuletzt verweist Imhoof auf seinen Zweite-Weltkrieg-Film «Das Boot ist voll» von 1981.
Eldorado
Regie: Markus Imhoof
Ab Do, 8.3., im Kino