Filme im Genre Science-Fiction aus Schweizer Produktion lassen sich an einer Hand abzählen. Das ist nicht zuletzt darin begründet, wie aufwendig und kostspielig das Erschaffen zukünftiger Welten für die Leinwand ist. Der Basler Regisseur Tim Fehlbaum hat es gewagt. In «Tides» geht es zwar in eine weit entfernte Zeit, der Ort befindet sich aber ganz nah: die Erde.
Es ist allerdings nicht mehr die Welt, so, wie wir sie kennen. Unser Planet ist unbewohnbar geworden, verwüstet, vergiftet, verwaist. Der Film erklärt nicht, was genau die Ursachen für die globale Katastrophe waren: Klimawandel, Atomkrieg, Raubbau, Pandemie? Eine Figur wird an einer Stelle sagen: «Wir haben alles geplündert, was die Erde uns bot.» Die Menschen sind geflüchtet auf den fernen Planeten Kepler 209.
Astronautin Blake landet in einer unwirtlichen Welt
Von hier starten die Geflohenen Missionen, die zurück zur Erde führen. Astronauten sollen herausfinden, ob inzwischen nicht doch wieder lebenswerte Zustände herrschen. Sie suchen Antwort auf die Frage, ob die Erde ihnen eine zweite Chance geben kann. Denn die Menschheit auf Kepler 209 ist vom Aussterben bedroht: «Auf Kepler 209 gibt es keine Reproduktion mehr.»
«Ulysses II» heisst die aktuelle Mission. Die Astronautin Blake erlebt mit ihrer Raumkapsel eine Bruchlandung im Wattenmeer und überlebt letztlich als einzige der Besatzung. Womit sie nicht gerechnet hat: Es gibt Menschenwesen in dieser verdunkelten Welt. Sie nennen sich «Muds» (englisch für «Dreck», «Schlamm»). Sie verständigen sich in der Sprache «Muddish». Im Film bleibt unübersetzt, was sie sagen. Die Muds sind den Menschen von Kepler 209 feindlich gesinnt. Sie existieren in prekären Verhältnissen, regelmässig bedroht von den Gezeiten. Wenn die Flut kommt, wird es gefährlich. Dauernebel hüllt alles ein, Schiffwracks liegen herum. Eine unwirtliche Welt. Astronautin Blake wird zur Überlebenden, die ganz auf sich gestellt ist. Doch sie findet Verbündete und erfährt auf ihrer Mission Schockierendes.
«Tides» ist der Zweitling des 1982 geborenen Baslers Tim Fehlbaum nach seinem gefeierten Spielfilmdebüt «Hell» (2011). Die schweizerisch-deutsche Co-Produktion wurde im Wattenmeer und im Studio gedreht und ist international besetzt mit der Französin Nora Arnezeder als Protagonistin Blake, sowie mit dem Briten Iain Glen («Games Of Thrones»), der Dänin Sarah-Sofie Boussnina («Die Brücke») und mit dem Schweizer Joel Basman in einer kleineren Rolle.
Man hätte, was die Psychologie der Figuren oder die Umstände der grossen Katastrophe betrifft, durchaus etwas tiefer loten können. Aber ansonsten ist dieser Film nur schon atmosphärisch und vom Look her eine eindrückliche Leistung. Schweizer Science-Fiction: Respekt.
Tides
Regie: Tim Fehlbaum
CH/D 2021, 100 Minuten
Ab Do, 26.8., im Kino