Die Männer im Fanbus aus Weissrussland besitzen ein Drei-Tage-Visum für Polen. Hierhin fahren sie, um ein Fussballspiel zu besuchen. Aleksei (Franz Rogowski) und sein Freund Mikhail (Michal Balicki) sind auch mit dabei. Unterwegs setzen sie sich ab. Sie wollen weiter westwärts. Beim Überqueren der Oder verliert Aleksei seinen Freund. Er zieht allein nach Paris weiter.
Zwischen Pariser Clubbühne und Dschungel
Hier heuert er bei der Fremdenlegion an. Im Rekrutierungsbüro antwortet Aleksei auf die Frage «Wo haben Sie Französisch gelernt?» schön einsilbig: «Film.» Der Deal mit der Fremdenlegion lautet, dass die Kämpfer nach acht Jahren Dienst den französischen Pass erhalten und wahlweise einen neuen Namen. Die militärische Ausbildung ist hart. Bald gilt es ernst: Die Legionärseinheit rückt zu einer Mission ins westafrikanische Nigerdelta aus. Hier treiben internationale Ölkonzerne ihr Unwesen.
Ihnen stellt sich die Rebellenorganisation Movement For The Emancipation Of Niger Delta (MEND) entgegen. Die Guerilleros kämpfen gegen Ausbeutung, Umweltzerstörung und das drohende Leid der Bevölkerung. In einer Videobotschaft wendet sich der Rebellenkommandant Jomo (Morr Ndiaye) an die Welt. Aleksei und Jomo sind Feinde. Doch nach einer tödlich endenden Konfrontation am Fluss Niger scheint der Legionär Eigenschaften seines Widerparts Jomo anzunehmen.
Dieser hatte bei einer Patrouille einem Mitkämpfer gegenüber erklärt, wovon er träumt: «Ich wäre gern ein Tänzer in einem Nachtclub, ein Disco Boy.» Ihm wird das nicht vergönnt sein. Doch Aleksei, zurück in Paris, tanzt auf der Clubbühne. Jomo und seine Schwester Udoka (Laetitia Ky) tun es auch. Sind es ihre Geister?
Film mit hypnotischer Sogkraft
Einem Diamantenhändler in Paris offenbart Aleksei, wieso er fort von der Heimat wollte: «Ich ertrug es nicht mehr. Wir hofften auf ein besseres Leben.» In Aleksei, vom deutschen Schauspieler Franz Rogowski mit intensiver Präsenz verkörpert, ist beides vorhanden: eine von den Umständen erforderte Härte und das Zerbrechliche einer verlorenen Existenz. Bei allem Realismus, der in «Disco Boy» steckt, ist es laut Regisseur Giacomo Abbruzzese auch «eine magische Erzählung».
Wie überhaupt die Grenzen verschwimmen zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen offensichtlich realem Geschehen und Halluzination. Was ist am Ende wirklich wahr? «Disco Boy» ist ein Film von hypnotischer Sogkraft mit berückenden Bildern von finsteren Dschungelnächten und Pariser Nachtclubs. In einigen Passagen wechselt die Kamera in eine subjektive Perspektive in Form von Infrarotbildern aus einem Nachtsichtgerät.
Die visuelle Kraft, die «Disco Boy» besitzt, ist nicht zuletzt das Verdienst von Kamerafrau Hélène Louvart. Für ihre Arbeit wurde sie an den Berliner Filmfestspielen im Februar mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet.
Disco Boy
Regie: Giacomo Abbruzzese FR/BE/IT/POL 2022, 91 Minuten
Ab Do, 29.6., im Kino