Die Not treibt die junge Katharina Walser anno 1929 vom Voralberg in die Schweiz, wo es Arbeit gibt. Sie meldet sich auf das Inserat, in dem «eine tüchtige Serviertochter gesucht» wird. So landet Katharina, die Fremde, im Restaurant Schäfli in einem Dorf im St. Galler Rheintal. Bald als Beargwöhnte: Ihre angeblichen Männergeschichten passen den Sittenwächtern der Gemeinde gar nicht. Dabei ist es der «Schäfli»-Wirt selber, der seine Angestellte im Mostkeller vergewaltigt.
Nicht alle sind ihr feindlich gesinnt. Einen wird Katharina gar sehr lieben. Es ist der Tannbühler Tres (Gian Rupf). Katharina und der Bergbauer werden heiraten. Es stellt sich Glück ein, bis wieder Unglück die beiden heimsucht: Beim Holzfällen kommt Katharinas Sohn zu Tode. Tres schlägt gerne einmal zu, wenn es nötig ist. So verprügelt er den «Schäfli»-Wirt oder auch den Gemeindeammann. Er kommt regelmässig hinter Gitter, auch, als er wieder einmal am Berg wildert.
Lange Leidenszeit
Gemeindeammann Gantenbein (Hans-Peter Ulli) formuliert es einmal als Drohung: «Mer hönd do gern Aastand, en Ornig ond e Moral.» Und wer eben dagegen verstösst, muss büssen. Selbst wenn weit und breit keine rechtliche Handhabe für ein solches Vorgehen besteht. Katharina wird es noch erleben: wie ihr und den Ihren ungeheures Unrecht widerfährt.
Ihr werden die Kinder genommen und ins Waisenhaus gesteckt. Sie selber landet in der Anstalt. Hier erwarten sie «Therapiemassnahmen» wie das Deckelbad (bis zu mehrere Tage Aufenthalt in einer Badewanne) und Elektroschock. Man nimmt eine Lobotomie (Gehirnoperation) vor und droht mit Sterilisation. Nach langer Leidenszeit flieht Katharina eines Tages, um freiwillig zurückzukehren. Am Ende des Films findet man ihren Abschiedsbrief, ihre Schuhe und ihr Velo auf der Brücke, die über den Rhein führt.
Es ist eine Geschichte, die in den Jahren zwischen 1929 und 1955 spielt. Eine wahre Geschichte zudem. Regisseur und Drehbuchautor Kuno Bont hat den Fall von Katharina Walser und anderen während Jahren recherchiert. Aus seinem Material gestaltete er zuerst ein Theaterstück. Simona Specker, die jetzt die Katharina spielt, war im Jahr 2000 als 16-jährige Statistin schon dabei, als «Das Deckelbad» in Buchs SG auf die Bühne gebracht wurde. Für die Hauptrolle im Film hat die Ostschweizerin intensiv an der Sprache gearbeitet, um das Voralbergische stimmig sprechen zu können.
Kernige Figuren
Der Film wartet mit kernigen Figuren und Charakterköpfen auf. Eine sympathische Nebenrolle hat etwa Jaap Achterberg als wunderbar renitenter Dorfpolizist. Der Liechtensteiner Leander Marx darf als «Schäfli»-Wirt Kari ein Ekel spielen. Als eine Art roter Faden taucht wiederholt Dorftrottel Turli auf (der schauspielerisch debütierende Kevin Oeler).
Regisseur Kuno Bont: «Es war mein Ziel, darauf aufmerksam zu machen, dass jeder Mensch auf seine eigene Freiheit achtgeben sollte. Und dass jeder gegenüber Menschen vorsichtig sein sollte, die diese Freiheit einschränken.» Ein allgemeiner Anspruch des Films, der ganz bemerkenswert an einen traurigen Fall von Schweizer Behördenwillkür erinnert.
Das Deckelbad – Die Geschichte der Katharina Walser
Regie: Kuno Bont
Ab Do, 23.4., im Kino