Film - Die Wiederauferstehung eines verloren Geglaubten
Eine unglaubliche Geschichte: Ein US-amerikanischer Musiker ist in Südafrika populärer als Elvis – ohne davon zu wissen. Der Film «Searching For Sugar Man» begibt sich auf spannende Spurensuche.
Inhalt
Kulturtipp 26/2012
Urs Hangartner
Eine wahre Geschichte, die der schwedische Regisseur Malik Bendjelloul in seinem Dokumentarfilm ans Licht bringt: Der Plattenladenbesitzer Stephen
Segerman ist wie andere junge Weisse gegen die Apartheid im Südafrika der 1970er-Jahre. Sie lieben ihre eigene Musik, etwa diejenige eines gewissen Rodriguez. Sein Album «Cold Fact» kursiert im Untergrund als Schwarzpressung. Denn das südafrikanische Regime ist gegen jegliche Art aufmüpfiger Kunst wie Rodriguez...
Eine wahre Geschichte, die der schwedische Regisseur Malik Bendjelloul in seinem Dokumentarfilm ans Licht bringt: Der Plattenladenbesitzer Stephen
Segerman ist wie andere junge Weisse gegen die Apartheid im Südafrika der 1970er-Jahre. Sie lieben ihre eigene Musik, etwa diejenige eines gewissen Rodriguez. Sein Album «Cold Fact» kursiert im Untergrund als Schwarzpressung. Denn das südafrikanische Regime ist gegen jegliche Art aufmüpfiger Kunst wie Rodriguez’ Musik. Im Archiv in Johannesburg findet sich ein Exemplar der Platte mit dem Song «Sugar Man». Es ist ein Lied, das im Radio nicht gespielt werden durfte; die Zensurbehörden zerkratzten kurzerhand das Vynil.
Erfolgreicher als Elvis
«Die Platte war der Soundtrack unseres Lebens.» Das sagt Stephen Segerman, Fan von Rodriguez und Zeuge jener Zeit. Das Album wird nachgepresst und in mehren hunderttausend Exemplaren verkauft. Rodriguez ist in Südafrika grösser als Elvis, erfolgreicher als die Rolling Stones – aber wo ist all das Geld geblieben von den Plattenverkäufen? In den USA soll, so der windige Plattenboss Clarence Avant, gerade mal ein halbes Dutzend der LP über die Ladentische gegangen sein. Wie die Aufnahmen überhaupt nach Südafrika gekommen sind, wer letztlich daran verdiente – es scheint ein ewiges Geheimnis zu bleiben.
Und wo ist Rodriguez? Gerüchten zufolge soll er tot sein: Er habe sich aus Verzweiflung wahlweise auf offener Bühne erschossen bzw. angezündet, erzählt man sich in Südafrika. Aber Rodriguez ist putzmunter. Denn Segerman und seine Rechercheure finden ihn. Und tatsächlich: Sie kommen dem Verschollenen auf die Spur. «Ich suchte nach einem Toten und fand einen Lebenden», sagt Segerman. Nach 40 Filmminuten erscheint der wirkliche «Sugar Man»: Sixto Rodriguez. Er arbeitete vor und nach seinen Plattenaufnahmen als Bauarbeiter, absolvierte in seinen Vierzigern ein Philosophie-Studium, engagierte sich politisch und sozial. In den 1980ern war er gar Kandidat fürs Bürgermeisteramt in seiner Heimatstadt Detroit. Er wurde 139. von 169 Kandidaten. Sein Name war auf dem Wahlzettel falsch geschrieben.
Ein verkanntes Genie, dem das Format eines Bob Dylan attestiert wurde. Nur: Die schiere Erfolglosigkeit ist sein Schicksal über Jahrzehnte. Sixto Rodriguez, 1942 als Sohn mexikanischer Immigranten in Detroit geboren, wusste nie etwas von seinem «Erfolg» in Südafrika. Die wenigen Minuten, die man ihn in die Kamera sprechen sieht, zeigen einen keineswegs verbitterten Mann, der bescheiden geblieben ist.
Glorreiche Rückkehr
Nach seiner Wiederentdeckung feiert Rodriguez in Südafrika Triumphe und spielt in ausverkauften Hallen. Es ist die glorreiche Rückkehr eines verloren Geglaubten.
Mit Südafrika, das ihn gewissermassen wiederauferstehen liess, bleibt Rodriguez auf besondere Art verbunden. Eine seiner Töchter verliebte sich bei einer Konzerttour in einen Chauffeur und Bodyguard. Rodriguez hat inzwischen einen südafrikanischen Enkel.