Was hat das Schreiben mit dem Leben zu tun? Was bedeutet es, lesbisch zu sein, wenn weder die Familie noch die Öffentlichkeit davon wissen dürfen? Auf solche Fragen gibt der Dokumentarfilm über die weltberühmte US-Autorin Patricia Highsmith (1921–1995) Antworten: mit historischem Material wie TV- und Radiointerviews, wo Highsmith selber zu Wort kommt, mit Fotos aus dem Familienarchiv, in Erinnerungen von Angehörigen aus Texas. Drei von zahlreichen Frauen, die «Pat» Highsmith liebte, hatten den Mut, mit ihren Erfahrungsberichten vor die Kamera zu treten. US-Autorin Marijane Meaker hat wenig Schmeichelhaftes zu Pats Mutter zu sagen: «Sie war ein Miststück (bitch).» Über Pat meint sie: «Sie hatte etwas Seltsames.» Die Französin Monique Buffet half ihrer US-amerikanischen Geliebten in einer schriftstellerischen Krise wieder auf die Sprünge. Tabea Blumenschein, vor zwei Jahren verstorben, war ihre schillernde Berliner Beziehung.
Die Regisseurin selbst verliebt sich in Highsmith
Die in Zürich lebende Regisseurin Eva Vitija (*1973) steht zu ihrer Parteilichkeit in dieser «filmischen Liebesbiografie», wenn sie mit diesem Satz zu hören ist: «Als ich die unveröffentlichten Tagebücher las, verliebte ich mich selbst in Patricia Highsmith.» Die andere Stimme im Off gehört zur britischen Schauspielerin Gwendoline Christie («Game Of Thrones»). Sie übernimmt den Part von Patricia Highsmith, liest die auch als bewegte Handschriften visualisierten Sätze aus den Tage- und Notizbüchern.
Hauptquellen für diesen Film sind Aufzeichnungen, die erst nach dem Tod der Autorin in ihrem Haus gefunden wurden und im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern deponiert sind. Was darin steht, konnte man etwa aus der grossen Highsmith-Biografie von Joan Schenker aus dem Jahr 2009 erfahren. Öffentlich gemacht wurden die Tage- und Notizbücher erst letztes Jahr in einer zum Teil fragwürdigen, zensierten Auswahl. Gewisse Stellen offenbaren die bedenklichen dunklen Seiten von Patricia Highsmith. Im Film kommt es nur ganz kurz zur Sprache, als «Schimpftiraden»: antisemitische und rassistische Ausfälligkeiten der übelsten Art.
«Ich glaube nicht, dass Mord mein Thema ist»
Der Film führt anschaulich durch ihre Lebensstationen und taucht ein in die Gedankenwelt von Highsmith. Man erfährt viel über ihr Lieben und Leiden, ihre Dämonen, Obsessionen und Sehnsüchte. Interessant ist eine Selbsteinschätzung ihrer Literatur. Es sei ein Missverständnis, sie als Krimiautorin zu etikettieren, sie, die in ihren Ripley-Romanen und anderen Büchern munter morden lässt: «Ich glaube nicht, dass Mord mein Thema ist. Es ist Schuld.» Oder: «Schreiben ist ein Ersatz für das Leben.» Ihre Bilanz lautet: «Mein Leben ist eine Abfolge unglaublicher Fehler, von Dingen, die ich hätte tun sollen oder nicht.» Weltberühmt und einsam – ein bewegtes, unstetes Leben endete im Tessin, wo sie seit 1981 allein in einem ultramodernen Haus lebte.
Loving Highsmith
Regie: Eva Vitija
CH/D 2022, 83 Minuten
Ab Do, 10.3., im Kino