Film: Die Eroberung der Bastille
Ein Jahr lang begleitete Regisseur Philippe Béziat die Proben zur aufsehenerregenden Inszenierung der Rameau-Oper «Les Indes Galantes».
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Kulturtipp 19/2022
Urs Hangartner
Es ist für einmal eine durch und durch friedliche Eroberung der Bastille. Damit gemeint ist der Spielort Opéra Bastille der Pariser Oper. Hier ereignete sich über ein Jahr lang Aussergewöhnliches: Eine multikulturelle Truppe probt die Barockoper «Les Indes Galantes » von Jean-Philippe Rameau von 1735. Der Regisseur Philippe Béziat begleitete sie dabei filmisch. Die Mitglieder des neu gecasteten Tanzensembles haben unterschiedliche Migrationshintergr&uu...
Es ist für einmal eine durch und durch friedliche Eroberung der Bastille. Damit gemeint ist der Spielort Opéra Bastille der Pariser Oper. Hier ereignete sich über ein Jahr lang Aussergewöhnliches: Eine multikulturelle Truppe probt die Barockoper «Les Indes Galantes » von Jean-Philippe Rameau von 1735. Der Regisseur Philippe Béziat begleitete sie dabei filmisch. Die Mitglieder des neu gecasteten Tanzensembles haben unterschiedliche Migrationshintergründe: afrikanische Länder, Spanien, Vietnam, Indien. Eine klassische Ausbildung hat keiner von ihnen. Sie kommen von modernen Tanzstilen her. Von Krump, Flexing, Voguing, Locking, Breakdance – den Tänzen von Subkulturen. Durch diese Besetzung der Tanztruppe wird die barocke Ballettoper über «galante Liebesformen » in «exotischen» Ländern ins Heute überführt. Das Damals verbindet sich mit dem Jetzt und das Alte mit dem Modernen.
«Wir bringen dieses Haus ins Wanken»
Eine faszinierende Versuchsanlage. Und sie funktioniert. Man sieht, wie die einzelnen Mitglieder gecastet werden, wie sie ihre Rolle in der Oper analysieren. Das Kinopublikum nimmt Teil an Proben mit Regisseur, musikalischem Leiter und Choreografin. Einer der jungen Tänzer sagt am Anfang: «Wir bringen dieses Haus ins Wanken.» Da wird dem Stoff von einst aktuelles Leben eingehaucht. Dennoch hätten gewisse Kritiker in Sachen «Les Indes Galantes» einfach wieder das Bewährte gewollt. «Wir haben daran gerüttelt, mit Respekt », kommentiert ein Tänzer. Das Jahr harte Arbeit lohnt sich: Das Pariser Premierenpublikum feiert die Aufführung frenetisch. Nur die Moderatorin eines Fernsehsenders begeht einen peinlichen Fehler: Tänzerinnen und Tänzer sehen im Film den TV-Beitrag und wundern sich amüsiert, dass sie Rameaus Vornamen Jean-Philippe mit Jean-Baptiste verwechselt. Sie alle dagegen haben alles richtig gemacht: Tanzen mit Können und Verve, auf intensive und spannende Art.
Indes Galantes
Regie: Philippe Béziat
F 2021, 108 Minuten
Ab Do, 8.9., im Kino