Zu welchem Zweck sie in die USA einreise, fragt der Zöllner bei ihrer Ankunft am Flughafen: «Work or pleasure?» Zum Vergnügen, nicht um zu arbeiten, gibt die junge Schwedin Linnéa ihm zur Antwort. Die 20-Jährige ist aber nach Los Angeles geflogen, um in der Hollywood-Stadt zu arbeiten, in einer besonderen Branche zudem: In der Porno-Industrie, die statt in Schmuddelkinos und Videotheken längst im Internet ihr Geld macht, will es Linnéa, die sich den Künstlernamen Bella Cherry gibt, nach ganz oben schaffen, zum «nächsten grossen Pornostar». Sie will zu den Besten gehören, bei der angesagtesten Agentur unter Vertrag kommen. Dafür ist sie bereit, alles zu machen, nach der Devise: je härter, desto besser. Welchen Preis sie dafür zahlt, wird sich zeigen.
Zwar geben sich in diesem Business die Männer äusserst professionell, verständig, manchmal gönnerhaft. Aber es bleibt harte Arbeit.
Klickzahlen erhöhen den Marktwert
Bella, die sich mit drei anderen Frauen eine Wohnung teilt, geht ihren Weg, in einer Mischung aus naiv und selbstbewusst. Sie nimmt alle Erniedrigungen, Demütigungen, den seelischen und körperlichen Schmerz in Kauf, um ihr Ziel zu erreichen.
Alles ist zwar freiwillig, fern von Zwang. Vor den Dreharbeiten werden die Bedingungen schriftlich festgelegt, es soll für alle Parteien sicher sein. «Das Wichtigste ist, dass du dich wohlfühlst», sagt einer der Männer.
Um Erfolg zu haben, müssen die Frauen für sich werben. Sie tun es mit Fotos und Videoclips im Internet, wo entsprechende Klickzahlen ihren Marktwert erhöhen. Bei Social Media zählt die Reichweite. Sich auf einschlägigen Partys zu zeigen und dort Kontakte zu knüpfen, kann auch nicht schaden. Die Konkurrenz ist gross, da wird schon mal mit harten Bandagen gekämpft.
Warum tun sie das? Im Fall von Bella wird deren persönlicher Hintergrund nicht gross ausgeleuchtet. Nur einmal, bei einem Telefonat mit der Mutter zu Hause in Schweden, wird angetönt, wie Bella/Linnéa offensichtlich aus geordneten Verhältnissen stammt. Sie zeigt sich gern vor der Kamera und hat trotz allem eine nicht geringe Sexlust.
Es erstaunt, wie dokumentarisch dieser Film wirkt. Vor der Kamera scheint alles echt. Die Hauptdarstellerin Sofia Kappel (22) ist bei ihrem Schauspieldebüt die Einzige unter allen, die nicht professionell im Porno-Geschäft arbeitet. Ihre Kolleginnen, die männlichen Darsteller, Agenten und Regisseure spielen sich selber.
Weiblicher Blick in ein besonderes Business
Eine so grosse Authentizität für diesen Film war möglich, weil die schwedische Regisseurin Ninja Thyberg das Vertrauen der Mitwirkenden gewinnen konnte. Sie hat ausgiebig in den USA recherchiert und sich lange Zeit im Milieu bewegt. So sind diese mitunter verstörenden Einblicke in eine besondere Business-Welt für ihren ersten Spielfilm möglich geworden.
Pleasure
Regie: Ninja Thyberg
Schweden 2021, 109 Minuten
Ab Do, 13.1., im Kino