«Frei nach dem Jahrhundertroman von Alfred Döblin» – «neu interpretiert von Regisseur Burhan Qurbani»: So wird die jüngste, dreistündige Verfilmung von «Berlin Alexanderplatz» deklariert. Es ist die bisher dritte Adaption in der Geschichte. «Frei» und «neu» heisst unter anderem, dass Burhan Qurbani das Geschehen in die Gegenwart geholt hat, in ein heutiges Berlin. Sein Franz Biberkopf ist dunkelhäutig und Flüchtling aus dem westafrikanischen Guinea-Bissau.
Die nächtliche Eingangssequenz zeigt, wie der Mann in einem Boot auf dem Mittelmeer untergeht. Er überlebt die Katastrophe und landet in Berlin. Hier ist Francis B. (Welket Bungué) ein Illegaler, ein Sans-Papiers ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis.
Der Verrat ist beinahe tödlich
Francis schuftet schwarz auf der Baustelle, bis er wegen einer Ungeschicklichkeit entlassen wird. Er kann nicht mehr zurück ins Wohnheim, kommt stattdessen bei Reinhold unter, der im Heim Flüchtlinge als Drogenhändler angeworben hat. Reinhold (Albrecht Schuch) ist ein Psychopath und der Boss, über ihm steht nur noch Pums, der König der Unterwelt (Joachim Król). Francis heisst nun Franz und arbeitet vorerst als Koch für die Händler im Park, bis er selber aufsteigt, weil er Pums Eindruck macht.
Es kommt zum beinahe tödlich endenden Verrat durch Rein-hold. Franz verliert einen Arm, findet dafür aber die grosse Liebe Mieze (Jella Haase) und wird ihr Zuhälter. Doch Reinhold bringt Mieze um. Aus dem Totenreich kommentiert sie weiter, spricht von der Schande, die sich Franz aufgeladen hat als «Menschenschlepper, Zuhälter, Drogenhändler, Einbrecher». Eigentlich möchte Francis/Franz nur eines: gut sein und ein gutes Leben führen. «Ich will ein neuer, anständiger Mensch werden», schwört er sich.
Der Roman im Gewand eines epischen Kinofilms
Franz wird am Ende endlich frei sein. «Seine Schuld ist abgegolten», heisst es im Epilog, wo er nach vier Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Ein Neuanfang, ein neues Leben wartet auf ihn. Seine geliebte Mieze hat ihm ein Erbe hinterlassen …
Der deutsche Regisseur Burhan Qurbani, Sohn afghanischer Flüchtlinge, hat vieles von Alfred Döblin bewahrt. Er folgt dem stilbildenden expressionistischen Roman aus dem Jahr 1929 motivlich soweit treu, um das Ganze dann neu zu interpretieren: in bisweilen rauschhaften, wuchtigen Bildern von den Verlockungen und Gefahren der pulsierenden Metropole, die im Heute Gewinner und Verlierer hervorbringt.
Döblins Roman als klassisches Stück Literatur der Moderne erscheint hier im Gewand eines epischen Kinofilms, als gelungene Adaption mit einer dringlichen Aktualisierung, die funktioniert.
Berlin Alexanderplatz
Regie: Burhan Qurbani
Ab Do, 9.7., im Kino