Der Graureiher taucht wiederholt auf im Film. Etwa in einer wunderschönen Szene in der idyllischen Landschaft des Berner Juras, wo die kleine Milla mit ihrer Mutter Judith (Sarah Spale, bekannt aus «Wilder» und «Platzspitzbaby») lebt. Das Mäd-chen legt zwei tote Fische auf die Wiese und wässert sie mit einer Spritzkanne. Sie will dem Reiher in der Luft etwas Gutes tun. Später wird Milla der Mutter erzählen, dass sie den Reiher nachts neben dem Bett gesehen habe. Ein Traum? Und ganz zum Schluss sieht man den Reiher erneut im Haus.
Die bittere Wahrheit kommt ans Licht
Die Alleinerziehende Judith bewirtschaftet eine abgelegene Fischfarm, wo sie Forellen züchtet. Die Arbeit ist streng. Seit kurzem hilft der junge Gabriel (Matthias Britschgi) mit. Er hat sich von den Drogen losgesagt. Die Vergangenheit holt ihn ein, als sein Bruder David bei ihm in der Waldhütte auftaucht. Er braucht dringend Geld, um Drogenschulden zu begleichen.
Die Idylle in der ländlichen Umgebung hält nicht lange. Milla stirbt, als sie und die Mutter bei einer Tankstelle Halt machen. Ein Mann mit Motorradhelm raubt die Kasse aus und stösst die Kleine unabsichtlich um – mit tödlichen Folgen.
Der Schmerz der Mutter ist riesig. Der Täter ist flüchtig und bleibt unbekannt. «Wer tut so etwas?», fragt sie. Gabriel, der immer einen freundschaftlich-väterlichen Draht zu Milla hatte, antwortet: «Ein mieses Arschloch.» Judith ermittelt auf eigene Faust, sie hört sich um im Drogenmilieu. Bis sie dem Täter auf die Spur kommt. Auf einer Zeichnung von Milla, die in Gabriels Hütte an der Wand hängt, entdeckt sie den entscheidenden Hinweis. Eine bittere Wahrheit kommt ans Licht.
Judith bewegt sich nach dem Schicksalsschlag mit dem Verlust ihres geliebten Kindes in einer Gefühlswelt von Trauer und Wut. Eindrücklich zeigt der Film, wie sie mit ihren Rachegedanken gegenüber dem Schuldigen umgeht. Ist Vergebung möglich?
Ein eigenes Erlebnis inspirierte zum Film
Regisseurin und Drehbuchautorin Stefanie Klemm ist eine Spätberufene. Ihr Langfilmdebüt «Von Fischen und Menschen» legt sie mit 54 vor. Nach ein paar Studienjahren und dem Erlangen des Lehrpatents hatte die Bernerin allerdings bereits gefilmt, etwa Auftragsarbeiten und Tanz-Videos. Offiziell zur Filmerin wurde sie in Zürich, wo Stefanie Klemm ab 2008 ihr zweijähriges Master-Studium an der Hochschule der Künste absolvierte.
Ein eigenes Gewalterlebnis hat sie zu ihrem Spielfilm inspiriert: Vor zehn Jahren wurde sie an einer Tankstelle in Frankreich niedergeschlagen und ausgeraubt. So entstand die Idee für «ein Drehbuch über die Beziehung zwischen Täter und Opfer», wie sie sagt. Es folgte ein langer Entstehungsprozess, bis der Stoff als Drehbuch gereift war und schliesslich zum fertigen Film wurde. Es hat sich gelohnt: «Von Fischen und Menschen» darf sich sehen lassen. An den Solothurner Filmtagen im Januar erhielt Stefanie Klemm für ihr Spielfilmdebüt den erstmals vergebenen Preis Opera Prima.
Von Fischen und Menschen
Regie: Stefanie Klemm
CH 2020, 87 Minuten
Ab Do, 20.5., im Kino