Der jüngere Ladenbesitzer, mit dem der ältere Issa ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, hat genug: «Wann ist dieses Scheissleben endlich zu Ende?», fragt er wütend. Er wird es eines Tages tun: fortziehen, nach Europa, in eine bessere Welt, in ein anderes Leben. Es ist in der Tat nicht einfach, das Leben der Bewohner von Al-Shafti, einem palästinensischen Flüchtlingslager im Norden des Gazastreifens. Die Hamas führt ein strenges Regime. In der Ferne fallen Bomben vom Himmel. Regelmässig gibt es Stromsperren. Es herrscht ökonomische Not. Die Menschen sind eingesperrt.
Der 60-jährige Fischer Issa (Salim Dau) ist Junggeselle. Mit seinem Kahn schippert er in den Hoheitsgebieten vor Gaza. Von der Stadt an den Hafen und umgekehrt muss er mit seinem motorisierten Lastendreirad den Kontrollposten passieren. Man kennt ihn und winkt den Alten durch. Auch, als er mal keine Fische transportiert. Nächtens ist ihm nämlich eine lebensgrosse Bronzestatue ins Netz gegangen. Issa schafft den Fund heimlich zu sich nach Hause. Es ist, wie sich herausstellen wird, eine Darstellung des antiken Gottes Apollo. Durch eine Ungeschicklichkeit bricht Apollos Penis ab. Die Statue wird Issa noch zünftige Probleme bereiten.
«Zufällig» wartet er auf denselben Bus
Issa ist auf der Suche. Das heisst, er hat sein Objekt der Begierde bereits gefunden: Es ist die verwitwete Siham (Hiam Abbass). Sie arbeitet als Änderungsschneiderin und Verkäuferin in einem Kleiderladen im Marktviertel. Sie weiss freilich noch nicht, dass Issa ein Auge auf sie geworfen hat. Schüchtern und plump nähert er sich ihr an, draussen beim «zufälligen» gemeinsamen Warten auf den Bus oder im Laden: ob sie ihm seine Hosen kürzen könne. Derweil versucht sich Issas Schwester als Kupplerin. Sie veranstaltet eine Brautschau, zu der fünf verschleierte Frauen aufkreuzen. Vergebliche Liebesmüh.
Wirklichkeit oder Traum, Märchen oder Realität?
Bei allem Ernst (Liebe, Flüchtlingslager) handelt es sich bei «Gaza mon amour» letztlich um eine Komödie mit märchenhaftem Unterton. Leiser Humor durchweht den Film. Er manifestiert sich etwa im Handlungsstrang mit der Apollo-Statue. Die Apollo-Geschichte ist übrigens eine Reminiszenz der Filmemacher an einen tatsächlichen Statuen-Fund im Jahr 2013.
Issas lange heimliche Anhimmelung gibt ebenfalls Anlass für Komisches. Wie zum Schluss, als Issa einfach zu Siham hingeht, in seinem besten Anzug und auffällig parfümiert, an der Wohnungstür klingelt und fragt: «Willst du mich heiraten?» Die Umworbene, ihre Tochter und schliesslich auch er: Alle lachen sie im Treppenhaus. Doch es geht noch weiter. Wie, verrät eine kurze Einspielung, die erst im Textabspann erscheint. Ob es dann Wirklichkeit ist oder nur ein Traum – das bleibt offen.
Die 1988 in Gaza geborenen Zwillingsbrüder Tarzan und Arab Nasser leben seit Jahren im französischen Exil. An Filmarbeiten in ihrer palästinensischen Heimat war nicht zu denken. «Gaza mon amour» wurde in Jordanien und in Portugal gedreht.
Gaza mon amour
Regie: Tarzan und Arab Nasser
Palästina/F/D/Portugal/Katar 2020, 87 Minuten