Man kennt die Entwicklung seit einigen Jahren von grossen Städten wie Berlin, London oder New York: Ganze Stadtteile mit günstigem Wohnraum werden «aufgewertet», neue, zahlungskräftige Bewohner ziehen ein. Die Menschen, die bisher an diesen Orten wohnten, können sich das Leben und die gestiegenen Mietpreise nicht leisten. Sie ziehen weg aus ihrer vertrauten Umgebung. Das heisst Gentrifizierung.
Der Film des New Yorker Regisseurs Ira Sachs zeigt, was diese ökonomische Veränderung im Kleinen anrichten kann. Der fiktive Fall seiner Geschichte beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit aus der Familie von Ko-Drehbuchautor Mauricio Zacharias. Dessen Vater hatte als Liegenschaftsbesitzer in Brasilien Ähnliches erlebt wie die Figuren im Spielfilm «Little Men».
Die Welt im New Yorker Stadtteil Brooklyn wandelt sich. Das bekommt die Latina Lenor (Paulina Garcia) zu spüren. Sie führt seit Jahren einen kleinen Kleiderladen im Parterre eines Hauses, das nun die Familie Jardine frisch geerbt hat. Denn Grossvater Max, der hier lebte, ist gestorben.
Ein Konflikt bahnt sich an
Die Familie von Brian und Jennifer Jardine zieht mit ihrem Sohn ein. Der 13-jährige Jake freundet sich bald mit Tony an, dem Sohn der alleinerziehenden Lenor. Beide interessieren sich für Games, Kunst und Mädchen. Sie ziehen durch die Strassen, der eine auf Inline-Skates, der andere auf seinem Scooter. Sie besuchen zusammen einen Schauspielkurs.
So harmonisch es mit den Jungen läuft, so konfliktreich wird es bei den Erwachsenen. Denn Jakes Tante Audrey möchte auch etwas vom Erbe haben. Weil sie nicht im Haus wohnt, geht sie leer aus. Ausser man würde die Miete erhöhen; massiv, zu quartierüblichen Preisen. Das ist mehr als das Fünffache der bisherigen Summe. Das kann sich Lenor niemals leisten. So sieht sich Brian gezwungen, ihr die Nachricht schonend zu übermitteln und die Zwangsräumung anzudrohen. Lenor entgegnet ihm mit den Worten über den verstorbenen Grossvater Max: «Ich war mehr Familie für ihn, als Sie es waren. Max wollte, dass ich hier bliebe.»
Jakes Familie ist ihrerseits auf den günstigen Wohnraum angewiesen. Zwar hat man sich mit dem Umzug von Manhattan nach Brooklyn «verbessert», doch mehr zahlen könnten selbst sie nicht. Dies trotz Doppeleinkommen: Mutter Jennifer ist – passend zur Situation – Psychotherapeutin mit Spezialgebiet Konfliktbewältigung; Vater Brian ist ein unterbezahlter Schauspieler. Er probt gerade Tschechows «Möwe» in einer Off-Off-Broadway-Produktion.
Die beiden Freunde Jake und Tony nehmen langsam wahr, was da unter den Erwachsenen läuft. Aus Protest beschliessen sie, mit ihren Eltern kein Wort mehr zu wechseln. Aber es nützt nichts, ihr Widerstand wird aufgeweicht durch den Lauf der Dinge. Eines Tages ist Lenors Laden leer. Zwangsgeräumt. Jake und Tony werden eigene Wege gehen. Am Ende sieht man, dass Jake es an die Kunstschule La Guardia geschafft hat. Tony dagegen will Schauspieler werden.
Little Men
Regie: Ira Sachs
Ab Do, 1.12., im Kino