Film: Der Charme des Ruppigen
Vom Haudegen zum Charakterdarsteller: Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood wird bald 90 Jahre alt. Mehrere Fernsehsender zeigen seine Filme.
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Kulturtipp 11/2020
Urs Hangartner
Auf einem Maulesel kommt er in der Anfangsszene dahergeritten, um bald darauf mehrere Gegner niederzustrecken. Ein Mann mit Hut, Poncho, Schaffell-Gilet, Zigarillo im Mundwinkel. Es ist Clint Eastwood in seiner ersten Kinohauptrolle im Film «Per un pugno di dollari» («Für eine Handvoll Dollar»). Ein bisheriger Kleindarsteller und Serienschauspieler aus Kalifornien wird unter der Regie von Sergio Leone aus Italien dank einem in Spanien gedrehten Film...
Auf einem Maulesel kommt er in der Anfangsszene dahergeritten, um bald darauf mehrere Gegner niederzustrecken. Ein Mann mit Hut, Poncho, Schaffell-Gilet, Zigarillo im Mundwinkel. Es ist Clint Eastwood in seiner ersten Kinohauptrolle im Film «Per un pugno di dollari» («Für eine Handvoll Dollar»). Ein bisheriger Kleindarsteller und Serienschauspieler aus Kalifornien wird unter der Regie von Sergio Leone aus Italien dank einem in Spanien gedrehten Film mit italienischen, spanischen und deutschen Produktionsgeldern zum Weltstar werden.
Für etwas mehr als eine Handvoll Dollar
Clint Eastwood wurde beim US-TV-Publikum als Cowboy-Figur bekannt: Er war in der Westernserie «Rawhide» von 1959 bis 1965 in 217 Folgen zu sehen. In Italien visionierte der Regisseur Sergio Leone Beispiele aus «Rawhide» und heuerte den Cowboy-Darsteller an. Eastwoods Gage betrug 15 000 Dollar für elf Wochen Dreharbeiten.
«Per un pugno di dollari» begründete eine Erfolgsära des Italo-Western – liebevoll «Spaghetti-Western» genannt. Bescheidene 200 000 Dollar betrug 1964 das Produktionsbudget für etwas Neues in der Kinowelt: Leone schuf Stilbildendendes dank seiner unverwechselbaren Ästhetik von rauen, weiten Landschaften und langsamen Einstellungen. Inspiriert wurde er durch den Samurai-Film «Yojimbo» von Akira Kurosawa. Seine Werke garnierte Leone mit biblischen Motiven, zahlreichen Anleihen bei der US-Western-Tradition und mit unerhörter Filmmusik von Ennio Morricone. Über allem weht der Charme des Ruppigen. Mittendrin Clint Eastwood, den eine zeitgenössische Filmkritik als «die Inkarnation des Anti-Helden» beschrieb, eine namenlose Figur, ein geheimnisvoller Aussenseiter.
Er formte seinen Filmcharakter mit
Eastwood bedingte sich im Vertrag das Recht aus, bei den Dialogen mitreden zu können, mit dem Effekt, dass seine Figuren wenig Text mit allerdings lakonisch-coolen Zeilen hatten. Er formte so seinen kultigen Film-Charakter massgeblich mit. Leone dreht mit «Per qualche dollaro in più» (1965) einen weiteren Western und schloss mit «Il buono, il brutto, il cattivo» (1966) seine sogenannte «Dollar-Trilogie» ab. In den USA wurde diese zum Kassenschlager – und Eastwood zum Weltstar. Für «Il buono …» hatte er schon 250 000 Dollar Gage fordern können.
Nach den drei europäischen Filmen ging es für Eastwood daheim in den USA steil bergauf. Er begann 1971 auch selber Regie zu führen, bis heute bei insgesamt 38 Werken. Seine Filmfiguren entwickelten sich vom Haudegen zum gelobten Charakterdarsteller.
Eine lange Karriere mit einem breiten Œuvre ist noch nicht zu Ende. Eastwoods jüngste Regiearbeit über den fälschlicherweise als Bombenleger verdächtigten Sicherheitsmann Richard Jewell würde zurzeit in den Kinos laufen. Man muss sich nun noch etwas gedulden. Eastwood liess verlauten, dass er mit Filmen weitermache, solange es geht. Ein neues Projekt des 90-Jährigen ist bereits in Planung.