Film - Das Scheusal und der Trampel
Isabelle Huppert und Benoît Poelvoorde bilden in «Mon pire cauchemar» von Anne Fontaine ein Paar extremer Gegensätze. Für komische Spannung <br />
ist gesorgt.
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Kulturtipp 03/2012
Urs Hangartner
Sie kann auch das: Zwischendurch ganz anders als gewohnt und erwartet spielen. Zwar hat Isabelle Huppert (59) unter der Regie von Claude Chabrol auch mal eine Mörderin («La cérémonie»), eine Engelmacherin («Une affaire de femmes») oder Ehebrecherin (die Titelrolle in «Madame Bovary») interpretiert.
Gemeinhin wird die wandlungsfähige Schauspielerin aber weniger mit lästigen Charakteren in Verbindung gebracht. Und schon gar n...
Sie kann auch das: Zwischendurch ganz anders als gewohnt und erwartet spielen. Zwar hat Isabelle Huppert (59) unter der Regie von Claude Chabrol auch mal eine Mörderin («La cérémonie»), eine Engelmacherin («Une affaire de femmes») oder Ehebrecherin (die Titelrolle in «Madame Bovary») interpretiert.
Gemeinhin wird die wandlungsfähige Schauspielerin aber weniger mit lästigen Charakteren in Verbindung gebracht. Und schon gar nicht mit Auftritten in komischen Filmen.
Huppert ist im neuen Film «Mon pire cauchemar» («Mein liebster Albtraum») ein Ekel: Eine Businessfrau im Kunsthandel, eine knallharte, rechthaberische Galeristin an nobelster Pariser Adresse. Mitarbeiter staucht sie übel zusammen, wenn ihr ein klitzekleines Detail nicht passt. Wie etwa ein Farbton an der Wand, der von ihren Idealvorstellungen minimal abweicht.
Die Gegensätzlichen
Doch dann verändert sich ihr Leben: Die Zicke lernt den Proleten Patrick kennen. Über die Freundschaft ihrer Söhne kommen sich die zwei mehr oder weniger unfreiwillig näher, später sogar ganz nah. Denn ausgerechnet Agathes Lebenspartner François (ein sympathisch kumpelhafter André Dussollier) heuert Patrick für Bauarbeiten in seinem riesigen Appartement an. So tritt Patrick, nach der Begegnung in der Schule, staubig und lärmig erneut in das Leben von Agathe. Sie würde ihn am liebsten hochkant rauswerfen. Doch das Schicksal scheint die beiden aneinanderzubinden.
Das Scheusal und der Hemdsärmlige – eine spannende Konstellation. So bildet Isabelle Huppert zusammen mit Benoît Poelvoorde («Rien à déclarer») ein neues Albtraumpaar. Poelvoorde spielt den ungebildeten Patrick lustvoll; er ist der perfekte Gegenpart der feinsinnigen Agathe. Er, der Trampel, ist polternd, ungebildet, vulgär, aber nicht aufs Maul gefallen. Zum Beispiel hat der Handwerker ein lukratives Projekt in Aussicht, «eine Golfanlage für Kleinwüchsige» (so seine Interpretation des Begriffs «Minigolf»).
Spass am Spiel
Die beiden bleiben sich in der Folge als Paar «treu» und vertrauen sich gegenseitig dennoch nicht. Neckereien gehören aber dazu: Bei einem Abstecher nach Belgien zu Patricks Bruder und dessen erotischer Autowaschanlage wird sie kurzum vorgestellt als «Agathe, Frankreichs grösste Nervensäge».
Wichtig für den versöhnlichen Schluss dieser menschlichen Komödie ist ein Kunstwerk. Genauer genommen: ein sogenannt vandalisiertes, durch Schmiererei verunstaltetes Bild. Es ist eine Fotografie des japanischen Künstlers Hiroshi Sugimoto. Er sitzt nach der Vernissage in trauter Runde bei Agathe daheim. Sugimoto hat es sich nicht nehmen lassen, sich im Film selbst zu spielen. Auch die Fotografie hat er eigens für den Film kreiert. Und Hiroshi Sugimoto hat mit Selbstironie das von ihm geschaffene Kunstwerk eigenhändig mit pornografischen Kritzeleien verunstaltet!
Huppert wie Poelvoorde haben unverkennbar Spass am Spiel als ungleiches Paar. Sie sorgen dafür, dass diese Filmkomödie ein vergnügliches Kinoerlebnis ist – mit sehr viel Hintersinn.