Es beginnt gleich mit einem Knall: Nachts kommt in einem besseren Wohnquartier in Rom ein Auto angerast, das im Parterre durch eine Glasfront in die gute Stube von Sara und Lucio kracht. Am Steuer: der betrunkene Andrea, Sohn von Richter Vittorio (Nanni Moretti) und Anwältin Dora (Margherita Buy). Auf seiner Irrfahrt streift er zudem eine Passantin, die ihren Verletzungen erliegen wird.
Die im gleichen dreistöckigen Haus lebende hochschwangere Monica (Alba Rohrwacher) ist zur selben Zeit auf der Suche nach einem Taxi, das sie zur Entbindung ins Spital fährt. Sie wird dort die kleine Beatrice zur Welt bringen. Ihr Mann Giorgio ist beruflich viel unterwegs und kaum zu Hause. «Allein macht mir alles Angst», sagt sie einmal. Sie befürchtet, verrückt zu werden wie ihre Mutter, und imaginiert sich wiederholt die Begegnung mit einem Raben in ihrer Wohnung.
Unzählige Figuren bevölkern den Film
Der Film birgt noch viele Geschichten mehr. Etwa jene von Sara und Lucio, die ihre siebenjährige Tochter Francesca öfter vom älteren Nachbarn Renato hüten lassen. Renato zeigt Anzeichen von Demenz, er vergisst immer wieder mal Namen und bringt Dinge durcheinander. Einmal verirrt er sich zusammen mit Francesca im nahen Parkwäldchen. Vater Lucio denkt ans Schlimmste und beschuldigt seinen Nachbarn unbegründet, sein Kind missbraucht zu haben.
Nach dem Tod von Richter Vittorio spricht Dora zu ihrem verstorbenen Gatten auf den Anrufbeantworter, findet eine neue Bekanntschaft und am Ende den verschwundenen Andrea. Er hatte nach dem Unfall von seinen Eltern vergebens verlangt, dass sie ihn vor Gericht privilegiert behandeln, und war von Vater Vittorio verstossen worden.
Gegliedert ist der Film in drei Akte, die zu unterschiedlichen Zeiten im Fünfjahrestakt zwischen 2010 und 2020 spielen. Es ist nicht immer leicht, den Überblick über die Figuren zu behalten. Regisseur und Schauspieler Nanni Moretti verzichtet zum ersten Mal in seiner filmischen Karriere auf ein Originaldrehbuch und stützt sich auf eine Romanvorlage des israelischen Autors Eshkol Nevo. Humor, auch melancholischer, ist anders als in seinen übrigen Filmen diesmal keiner zu entdecken.
Schuld, Reue, Lieben und Sterben
«Tre Piani» präsentiert viele Gesichter und miteinander verwobene schicksalhafte Geschichten in einer Fülle, die den Film zu überfrachten droht: Schuld, Reue, fragile Familienbande, Liebe, Leben und Sterben, Angst, Trauer, Bruderzwist, Betrug. Viel Problematisches steckt im Film, aber es gibt auch Zuversichtliches. Etwa die weibliche Emanzipation von männlicher Dominanz, wie sie die verwitwete Dora am Schluss auf ihrem neuen Lebensweg praktiziert.
Tre Piani
Regie: Nanni Moretti
I 2021, 120 Minuten
Ab Do, 3.2., im Kino