Die männliche Erzählerstimme im Off entschuldigt sich «für diese sinnlose, traurige und düstere Geschichte». Er habe, so erklärt die Stimme am Anfang, das Tagebuch eines Mädchens gefunden, deren Aufzeichnungen unverhofft abbrechen. Er schreibe die Geschichte nun weiter, «nach einer wahren Geschichte, die auf einer Lüge aufbaut».
Es ist Ferienzeit. Die Eltern lassen ihre Kinder vor den Nachbarn stolz ihre Zeugnisse voller Bestnoten vorzeigen. Bruno (Elio Germano) installiert im Garten einen aufblasbaren Pool, «die Billigvariante des Sommers», wie die Erzählerstimme sagt. Heimlich zerstört er nachts das Bassin, um die Tat den «Zigeunern» in die Schuhe zu schieben. Bruno ist ein strenger Vater, ein übler Macho mit Vergewaltigungsfantasien, ein Angeber.
Klima der Angst und Hoffnungslosigkeit
Es zeigt sich bald: Die Sommeridylle in der schmucken Einfamilienhaussiedlung vor Rom täuscht. Hier herrscht ein Klima der Angst und der Hoffnungslosigkeit. Auch wenn es sich die Erwachsenen noch nicht eingestehen wollen.
Man vernimmt Ungeheuerliches aus dem Kindermund von Dennis, der im Bus der Sitznachbarin sein Geheimnis verrät: «Ich baue eine Bombe und jage das ganze Viertel in die Luft. Damit das alles ein Ende hat.» «Das alles» will heissen: Neid, Heuchelei, das kalte und harte gesellschaftliche Klima, vorgelebt durch die Elternwelt. Der zusehends spürbare Druck, der über allem liegt, entlädt sich nicht mit einem Knall. Es geht schleichend von sich – bis zu den finalen Katastrophen.
Es ist eine abgründig-traurige Geschichte, getaucht in einen kunstvollen, stilisierten Realismus. Ein filmischer Kosmos irgendwo zwischen Ulrich Seidl und David Lynch. Die italienischen Zwillinge Damiano und Fabio D’Innocenzo, Jahrgang 1988, haben für ihren zweiten Film «Favolacce» an der Berlinale den Silbernen Bären für das beste Drehbuch erhalten.
Favolacce
Regie: Damiano und Fabio D’Innocenzo
Ab Do, 8.10., im Kino