Ein Blick genügt, und die Funken sprühen. So ergeht es der jungen, unsicheren Therese sowie der älteren, eleganten Carol, die standesgemäss mit einem wohlhabenden Investment Banker verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter ist. Die beiden treffen 1952 in einem New Yorker Kaufhaus aufeinander, wo Therese als Verkäuferin arbeitet. Und obwohl ihre Leben unterschiedlicher nicht sein könnten, verabreden sie sich, kommen sich näher.
Therese (Rooney Mara) steht zwar kurz vor der Hochzeit mit ihrem Freund, wird aber von unbestimmten Sehnsüchten getrieben. Sie ist fasziniert von der Unnahbarkeit und dem Selbstbewusstsein der reiferen Frau. Carol (Cate Blanchett) ihrerseits plant bereits die Scheidung. Gegen aussen wirkt sie distanziert und kontrolliert, zeigt aber im Umgang mit Therese ihre verletzliche Seite.
Kampf gegen Vorurteile
In den 50ern war der Lebensweg nicht nur in den restriktiven USA fest vorgegeben. Wer aus den Normen ausscherte, musste gegen Vorurteile ankämpfen. Das erfahren auch Carol und Therese. Beide sind mit Männern liiert, die sie zwar aufrichtig lieben, ihre innere Leere aber nicht zu füllen vermögen. Argwöhnisch beobachten die Männer die enge Frauenfreundschaft. Als die beiden Schönen sich auf einen gemeinsamen Road Trip begeben, reist ihnen ein von Carols Mann engagierter Privatdetektiv hinterher. Das kompromittierende Material wird er im Scheidungsprozess im Kampf um das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes gegen sie verwenden, indem er sich auf die Moralklausel bezieht. Carol will das Beste für ihre geliebte Tochter, sich selbst aber nicht verleugnen: «Was nütze ich ihr, wenn ich gegen meine Natur handle?», fragt sie bei den Verhandlungen. Für ihre Liebe zu Therese riskiert sie, einen hohen Preis zu zahlen.
Vintage-Touch
Der Film «Carol» basiert auf dem Roman «Salz und sein Preis» der US-amerikanischen Autorin Patricia Highsmith (1921–1995). Sie hatte das Werk 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan veröffentlicht, um sich nicht der Polemik zur damals gesellschaftlich geächteten Homosexualität auszusetzen. Highsmith machte sich vor allem mit ihren psychologischen Thrillern einen Namen, in denen Psychopathen wie der «Talentierte Mr. Ripley» die Hauptrolle spielen. Auch im Film von Todd Haynes baut sich eine Spannung auf – im Wissen um Highsmiths Vorlieben schwant dem Publikum Schlimmes. Letztlich gründet die Spannung aber vor allem in der förmlich durch die Leinwand spürbaren und lange nicht ausgelebten Anziehung der beiden Frauen, die sich ihren Weg gegen alle Vorurteile und Zwänge der damaligen Zeit bahnen müssen.
Der Film im Vintage-Touch überzeugt visuell und fängt die Atmosphäre der prüden 50er in gedämpften Farben ein. Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett und die Newcomerin Rooney Mara, die in Cannes als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde, glänzen in ihren starken Frauenrollen.
Carol
Regie: Todd Haynes
Ab Do, 10.12., im Kino