Der junge Jong-su möchte Schriftsteller werden. So richtig vorwärts will es mit seinem Erstling aber nicht gehen. So jobbt er in der grossen Stadt Seoul. Zufällig trifft er dort vor einem Warenhaus auf Hae-mi. Angeblich sind sie zusammen in die Schule gegangen und in derselben Nachbarschaft aufgewachsen. Hae-mi nimmt Jong-su zu sich nach Hause in ihre kleine Einzimmerwohnung. Sie haben seltsamen Sex miteinander. Sie fragt ihn, ob er nicht ihre Katze füttern könne, weil sie nach Afrika reist. Jong-su wird nie eine Katze zu Gesicht bekommen. Sie bleibt unsichtbar. Gibt es sie überhaupt?
Der Zorn der Jugend Koreas
Als Hae-mi aus Afrika zurückkommt, begleitet sie ein gewisser Ben. Er muss offenbar nicht arbeiten, fährt einen Porsche und besitzt eine etwas sterile Luxuswohnung. Hae-mi und Ben sind anscheinend ein Paar. Sie passt irgendwie nicht in den erlauchten Kreis von Bens «mehrbesseren» Freunden. Vor ihnen führt sie einmal im Restaurant den in Afrika gelernten «Tanz des Grossen Hungers» vor.
Jong-su darf mit dabei sein. Zu dritt treffen sie sich bei Jong-su zu Hause: auf dem desolaten Bauernhof des Vaters, der wegen eines Gewaltdelikts vor Gericht verurteilt wurde. Das Haus liegt im Norden, nah an der Grenze zum Nachbarland. Denn ohne Unterlass wird die Gegend aus Lautsprechern durch das nordkoreanische Radio beschallt. Die drei sitzen zusammen, reden und kiffen. Ben gesteht Jong-su: «Manchmal gehe ich Gewächshäuser niederbrennen. Nach zehn Minuten ist alles vorbei, als ob es nie existiert hätte.» Der Bauernsohn Jong-su läuft danach übers Land und inspiziert Gewächshäuser.
Es gibt reiche und arme junge Menschen in Korea. Ihnen allen scheint eine Art Zorn eigen. Bei Jong-su entlädt sich sein Gefühl am Ende in einem handfesten Gewaltakt. Sein Opfer heisst Ben. Und Hae-mi verschwindet plötzlich. «Sie hat sich wie Rauch verflüchtigt», sagt Ben. Aber vielleicht ist auch dies nur scheinbar.
Ein hypnotisch wirkendes Porträt
Die Kurzgeschichte «Barn Burning» («Scheunenabbrennen») des japanischen Bestsellerautors Haruki Murakami bildete laut Film-Vorspann die Vorlage für den Film «Burning» des angesehenen südkoreanischen Regisseurs Lee Chang-Dong. Ein Text aus den frühen 1990er-Jahren von gerade mal 13 Druckseiten Umfang auf der einen Seite, die zweieinhalb Stunden lange Verfilmung und der Transfer von Tokio nach Seoul auf der anderen Seite: Bewahrt hat sich der Film Motive des Textes und den Geist Murakamis.
Vieles bleibt bewusst im Vagen. Was ist real, was imaginär? «Die Welt ist mir ein Geheimnis», sagt Jong-su an einer Stelle. Mit dem Film «Burning» liefert der Regisseur ein faszinierendes, mit leiser Spannung aufgeladenes, mysteriöses und bisweilen hypnotisch wirkendes Porträt einer jungen Generation.
Burning
Regie: Lee Chang-Dong
Ab Do, 10.1., im Kino