Er lacht selten. Wenn aber, dann strafft er sein zerfurchtes Gesicht und zeigt eine makellose Reihe weisser Zähne. «Künstlich», gesteht Iggy Pop seinem Interviewer Jim Jarmusch im neuen Dokfilm «Gimme Danger». Dangerous, gefährlich, war Iggys Leben in jungen Jahren sehr wohl. So habe er etwa, erzählt der US-Musiker, das «stage diving» erfunden, bei dem der Rockstar ins Publikum springt und von diesem aufgefangen wird. Zum Erfinden aber gehöre das anfängliche Scheitern: Iggy Pops «Testpublikum» wusste nichts von seiner Funktion und liess den Star auf den Boden knallen. So kam er zu neuen Zähnen.
Genie und Dilettant in einem
In solchen Geschichten zeigt sich Iggy Pop als selbstironischer, ungekünstelter Erzähler, was «Gimme Danger» zum Genuss macht. Jim Jarmusch, der mit Spielfilmen von «Permanent Vacation» (1980) bis zu «Paterson» (2016) eine ureigene Bildsprache und filmische Erzähldramaturgie geschaffen hat, erweist sich als überraschend begabter Dokfilmer. Nicht nur, weil er den exaltierten Musiker zum Plaudern bringt. Jarmusch liefert auch den cinematografischen Beweis für die rockhistorische Bedeutung von Iggys Band The Stooges. Bis heute ist die Meinung anzutreffen, es habe sich um einen Haufen von Dilettanten gehandelt, denen Iggy Pops ausgefallene Bühnenshows erst Aufmerksamkeit verschafften.
Es stimmt schon, dass Iggy, der im Film auch seinen bürgerlichen Namen Jim Osterberg akzeptiert, als leidenschaftlicher, aber dilettantischer Schlagzeuger begann – genauso wie seine Kumpels Ron Asheton mit der Gitarre, Scott Asheton an den Drums und Dave Alexander am Bass. Diese Viererbande fand jung zusammen, lebte und arbeitete zusammen, schrieb Songs zusammen. Simple Songs, die dem Grundsatz folgten: «25 words or less». So habe man sich gegen «Schwätzer» wie Bob Dylan abgegrenzt, giftelt Iggy genüsslich in Jarmuschs Mikrofon.
Ihren Dilettantismus machten die vier Freunde zum Programm. Weil sie sich oft durchwurstelten und von aufgebrachten Zuhörern auch mal verprügelt wurden, nannten sie sich «The Stooges» (Prügelknaben, Handlanger). Entsprechend bauten sie auch ihre eigenen Instrumente und experimentierten mit ihrer Musik. Iggy Pop: «Auf der Bühne konnte alles passieren.» Wahrhaftig, mehrmals trennte sich die Band. Und Iggy, der zum Sänger und Leader geworden war, holte andere Leute ins Studio. Darunter David Bowie oder John Cale, die das Potenzial dieser Band erkannten.
Sprunghaft mit witzigen Spielfilm-Schnipseln
Jim Jarmusch ergänzt Iggy Pops Erzählungen mit Zeitdokumenten und Interviews. Zudem illustriert er witzig mit alten Spielfilm-Schnipseln sowie Comic-Elementen. Das Ganze montiert er auf rasante Weise, die perfekt zur Stooges-Musik passt. Als Jarmusch-Fan staunt man über die Sprunghaftigkeit dieses ansonsten so stoisch agierenden Film-Poeten.
Und er lässt Iggy Pop Sachen sagen, die haften bleiben. Zu seiner Rolle in der musikalischen Entwicklung der 70er-Jahre meint dieser cool: «Ich half dabei, die 60er auszuradieren.» Seinen Einfluss aber auf Punk und Rock, auf Film und Kunst relativiert er: «Ich gehöre niemandem. Ich will einfach sein.» Das hat er geschafft. Als einziger Überlebender der Stooges ist Iggy Pop (70) bis heute on stage.
Gimme Danger
Regie: Jim Jarmusch
Ab Do, 27.4., im Kino