Film: Beglückend kindlich
Lebensnah-realistisch und zugleich zauberhaft: Der Figurentrickfilm «Ma vie de Courgette» des Wallisers Claude Barras schafft die Balance brillant – und erhält eine Oscar-Nomination.
Inhalt
Kulturtipp 04/2017
Urs Hangartner
Icare, den alle nur Courgette (Zucchini) nennen, wächst vaterlos auf. Am liebsten spielt der Neunjährige mit seinem Drachen. Oder er bastelt Dinge aus den leeren Bierdosen seiner Alkoholiker-Mutter. Bis er bei einem dummen Unfall auch die Mutter verliert.
Der Polizist Monsieur Raymond nimmt sich des Waisen an. Persönlich chauffiert er Courgette ins Heim. Hier trifft er auf eine multikulturelle Rasselbande, Kinder mit bisweilen schweren Schicksalen. Der anfä...
Icare, den alle nur Courgette (Zucchini) nennen, wächst vaterlos auf. Am liebsten spielt der Neunjährige mit seinem Drachen. Oder er bastelt Dinge aus den leeren Bierdosen seiner Alkoholiker-Mutter. Bis er bei einem dummen Unfall auch die Mutter verliert.
Der Polizist Monsieur Raymond nimmt sich des Waisen an. Persönlich chauffiert er Courgette ins Heim. Hier trifft er auf eine multikulturelle Rasselbande, Kinder mit bisweilen schweren Schicksalen. Der anfänglich feindselige Simon sagt zu Courgette: «Wir sind alle gleich. Es gibt keinen mehr, der uns liebt.» Doch immerhin eine Reihe von guten Erwachsenen: Heimleiterin Madame Papineau, Sozialpädagogin Rosy, die von Lehrer Monsieur Paul ein Kind erwartet. Mit dem Heimbus geht es einmal in die Wintersportwoche, wo der Lehrer eine Disco veranstaltet; er legt «Eisbär» von Grauzone auf, zu dem die Kids freudig wackeln.
Ein schweres Thema überraschend leicht
Frappant ist, wie viel Ausdruck und Empathie diese künstlichen Figuren erzeugen. Die Trickfilm-Puppen besitzen überdimensionierte runde Formen von Kopf und Augen. Wunderbar die vielen Details: In den 60 verschiedenen Filmkulissen einer Miniatur-Welt mit 25 Zentimeter grossen Figuren lassen sich immer wieder Sachen entdecken. In einem Büro hängen Gemälde von Joan Miró und Paul Klee; man sieht Spielzeug und Sportgeräte, Handy, PC, MP3-Player, Bücher und Bierdosen in Bonsai-Grösse. Die Fahrzeuge gemahnen an den Charme des Einfachen aus der Augsburger Puppenkiste.
Kinderheim, Gewalt, Tod, traurige Schicksale – das alles in einem unterhaltenden Trickfilm? Es funktioniert: «Ma vie de Courgette» beweist, wie sich ein ernstes und schweres Thema überraschend leicht vermitteln lässt. Geeignet ist der Film für ein Erwachsenen- wie ein Kinderpublikum. In der Westschweiz wurde «Ma vie de Courgette» zum rekordverdächtigen Kinohit. Er hat bereits zahlreiche Preise erhalten und ist im aktuellen Oscar-Rennen.
Ma vie de Courgette
Regie: Claude Barras
Ab Do, 16.2., im Kino