Film: Ballone über Tibet
In «Balloon» erzählt der tibetische Regisseur Pema Tseden von Menschen zwischen traditioneller Spiritualität und modernem Alltagsleben, das durch ein Kondom durcheinandergerät.
Inhalt
Kulturtipp 20/2020
Urs Hangartner
«Die Zeiten ändern sich», heisst es am Anfang des Films. Nicht nur, weil statt Pferden jetzt Motorräder als Fortbewegungsmittel dienen. China ist ein moderner Staat, auch wenn im tibetischen Hochland, wo der neue Film von Pema Tseden spielt, noch traditionelle Verständnisse etwa von der Rolle der Frau vorherrschen. Derweil verkündet in der Stadt eine Mauerschrift die offizielle staatliche Parole: «Ein schönes Leben beruht auf Familienplanung.»<...>
«Die Zeiten ändern sich», heisst es am Anfang des Films. Nicht nur, weil statt Pferden jetzt Motorräder als Fortbewegungsmittel dienen. China ist ein moderner Staat, auch wenn im tibetischen Hochland, wo der neue Film von Pema Tseden spielt, noch traditionelle Verständnisse etwa von der Rolle der Frau vorherrschen. Derweil verkündet in der Stadt eine Mauerschrift die offizielle staatliche Parole: «Ein schönes Leben beruht auf Familienplanung.»
Drolkar (Sonam Wangmo) lebt auf dem Land, als Frau des Schafzüchters Darje (Jinpa). Heimlich besucht sie die städtische Klinik mit dem Plan, sich sterilisieren zu lassen. Sie hat keine Kondome mehr. Ihre beiden jüngsten Söhne haben eines unter dem Kissen im elterlichen Bett gefunden und als Ballon zum Spielen benutzt.
Ein bildschönes, realistisches Werk
Drolkar verrät ihrer Vertrauensärztin: «Mein Mann rammelt ja wie ein Bock.» Sie wird schwanger werden und will abtreiben. Aber Darje will ein weiteres Kind, gerade jetzt, da sein Vater gestorben ist. Er soll laut Weissagung des Lama in seinem künftigen Kind wiedergeboren werden.
Eine unglückliche Liebesgeschichte hat Drolkars Schwester Shanchu erlebt, die ins Kloster gegangen ist. Jahre später begegnet sie ihrem Ex. Er ist der Lehrer ihres Neffen und schenkt ihr sein Buch mit dem Titel «Balloon». Weil Drolkar es in den Ofen wirft, wird sie den Inhalt nie erfahren. Nur so viel weiss sie: «Es handelt von ihm und mir.» In der Stadt kauft Darje seinen beiden jüngsten Söhnen je einen Ballon. Der eine zerplatzt bald, der zweite entschwindet für immer …
«Ich wollte das Verhältnis zwischen Seele und Realität erforschen», sagt Regisseur und Drehbuchautor Pema Tseden zu seinem Film. Realisiert hat er ihn als bildschönes, realistisches Werk, in dem es Platz hat für Humor und poetische Traumsequenzen – und Menschen im Spannungsfeld von Tradition und Emanzipation.
Balloon
Regie: Pema Tseden
Ab Do, 17.9., im Kino