Die Bücher von Astrid Lindgren sind bevölkert von mutigen, lebensfrohen Figuren, die ihren eigenen Weg gehen – von Ronja Räubertochter über Michel aus Lönneberga bis zu Pippi Langstrumpf. Von diesen Buchheldinnen und -helden lassen sich noch heute Kinderscharen begeistern (siehe Seite 30).
Wie ihre eigenwilligen Figuren musste sich auch die Autorin ihren Weg erkämpfen. Regisseurin Pernille Fischer Christensen zeigt in ihrem von biografischen Fakten inspirierten Spielfilm, wie Astrid Lindgren (1907–2002) zu dieser unkonventionellen Schriftstellerin wurde. Der Film fokussiert auf ihre prägendsten Jahre zwischen 16 und 22, in denen sie zu einer selbstbestimmten Frau wurde.
Die Schwangerschaft verändert das Leben
Aufgewachsen ist sie mit drei Geschwistern im schwedischen Vimmerby in einer religiösen, bei aller Strenge aber auch herzlichen Familie. Die Eltern lassen ihrer fantasievollen, ungestümen Tochter einige Freiheiten. Als 17-Jährige ergattert sie dank ihres Schreibtalents ein Volontariat bei einer Lokalzeitung. Chefredaktor Blomberg (Henrik Rafaelsen) ist der Vater einer Freundin – und er macht ihr bald Avancen. Mit dem viel älteren, in einem Scheidungskrieg steckenden Mann erlebt Astrid erste Liebesgefühle.
Doch dann der Tiefschlag: Die 18-Jährige ist schwanger und erhält weder von ihrem Geliebten noch von den Eltern genügend Unterstützung. Um keine Schande über die Familie zu bringen, verlässt sie 1924 ihr Elternhaus und bringt ihr Kind in Kopenhagen zur Welt, wo sie den Namen des Vaters nicht angeben muss. Da sie in Stockholm eine Ausbildung zur Sekretärin macht, muss sie den kleinen Lasse bei einer Pflegemutter in Kopenhagen lassen. Es zerreisst ihr das Herz, dass der Bub mehr an der Ersatzmutter als an ihr hängt.
Aus dem übermütigen Mädchen vom Land ist eine traurige, müde junge Frau geworden. Schauspielerin Alba August stellt diesen Wandel in Mimik und Körpersprache eindrücklich dar. Und sie zeigt, wie Astrid zu einer starken Frau heranwächst, die autonom über ihr Leben entscheidet – und ihre unbändige Lebenslust mit einer mutigen Entscheidung wieder neu entdeckt. Durch ihr Flair für lus-tige Abenteuergeschichten kann Astrid schliesslich auch das Herz des kleinen Lasse erobern.
Regisseurin Pernille Fischer Christensen wählt für ihren Film eine konventionelle Erzählweise, die in wenigen Szenen knapp am Kitsch vorbeischrammt, meist aber zu berühren vermag. Gelungen ist auch die thematische Klammer: Zu Beginn und am Ende des Films blendet die Kamera in das Zimmer einer alten Schriftstellerin, die zu ihrem Geburtstag säckeweise liebevoll gestaltete Glückwünsche von Kindern aus aller Welt erhält. Die naiv-klugen Kinderfragen lassen anklingen, wie Astrid Lindgren auch unbequeme Themen wie den Tod anspricht – und wie sie junge Leseratten zu einer mutigen Lebensweise inspiriert.
Astrid –Unga Astrid
Regie: Pernille Fischer Christensen Ab Do, 6.12., im Kino