’Ndrangheta hat ihren Aktionsradius längst über die Stammlande hinaus ausgeweitet. Die kalabrische Mafia operiert weltweit, in Europa, Nord- und Südamerika, in Russland und Australien sind Mitglieder der kriminellen Organisation tätig.
Die ’Ndrangheta gilt heute als die mächtigste Mafia-Organisation Europas. Im Unterschied zur neapolitanischen Camorra und zur sizilianischen Cosa Nostra gründet die ’Ndrangheta auf Blutsbanden. Die Organisation ist in kleine, sich um einzelne Familien scharende Gruppen gegliedert. Hier gilt das Gesetz der Blutfehde; es herrscht die Sprache der Gewalt mit blutigen Konsequenzen.
Am Originalschauplatz
Die Geschichte spielt in der Gemeinde Africo in der Provinz Reggio Calabria, im Bergmassiv Aspromonte, an der südlichen Spitze des italienischen Stiefels. Der Schriftsteller Gioacchino Criaco hat am Drehbuch mitgeschrieben und bürgt so für Stimmigkeit: 2008 ist sein Roman «Anime nere» erschienen, auf dem der Film beruht. Criaco stammt selber aus Africo.
Der Römer Regisseur Francesco Munzi wollte bewusst an diesem Originalschauplatz drehen – «Als ich kundtat, in dieser Region zu arbeiten, versuchten mich alle davon abzubringen: Das Thema sei zu schwierig, zu unzugänglich, zu gefährlich. Es sei ein unmöglicher Film.» Munzi hat die Bedenken ignoriert.
«Anime nere» erzählt die Geschichte von drei Brüdern. Luciano, der älteste, ist im Dorf geblieben und betreibt Landwirtschaft. Seine beiden Brüder Luigi und Rocco leben aus «geschäftlichen» Gründen in der Stadt – sie sind für die ’Ndrangheta aktiv. Zu Beginn sieht man Luigi, wie er im fernen Amsterdam mit einem lateinamerikanischen Drogenbaron einen grösseren Kokaindeal abschliesst. Detail am Rande: Als Bankverbindung wird eine CH-IBAN-Nummer genannt …
Ihren Lebensmittelpunkt haben Luigi und Rocco in Mailand. Da will auch Leo, Lucianos Teenager-Sohn, hin. Er wünscht sich, so zu sein wie seine beiden gut verdienenden Onkel in der Stadt. Nach einem eigenmächtigen Racheakt gegenüber einem Barbesitzer zieht Leo zu Onkel Rocco. Der Junge reisst damit alte Wunden auf und bringt eine unheilvolle Blutsfehde wieder in Gang. Die Gewalt eskaliert und macht innerhalb der eigenen Familie nicht halt. Am Ende sieht sich Luciano, der friedliebende Bauer, zu einer überraschenden Gewalttat gezwungen.
In dunklen Farbtönen
Man sieht einen authentisch gemachten Mafiafilm aus dem heutigen Italien, eine von viel Gewalt geprägte Familiengeschichte, die einer griechischen Tragödie gleicht. Ein düsterer Film, in dunklen Farbtönen gehalten, beeindruckend inszeniert und gespielt. Regisseur Francesco Munzi profitierte davon, die Atmosphäre des Originalschauplatzes einzufangen, und nicht zuletzt dank der Mitarbeit der Bewohner von Africo, seine Bilder aus einer der ’Ndrangheta-Hochburgen auf die Leinwand zu bringen.
Anime nere
Regie: Francesco Munzi
Ab Do, 13.8., im Kino